Dirk Jörke, Die Größe der Demokratie

dirk jörke, demokratie„Thema dieses Buches ist das Spannungsverhältnis von Größe und Demokratie. Leitend dabei ist die These, dass ab einer bestimmten Größe der Bevölkerung oder des Staatsgebietes sich die Qualität der Demokratie verschlechtert und in sehr großen Herrschaftsverbänden nur in einem sehr schwachen Sinne von der Existenz demokratischer Institutionen und Praktiken ausgegangen werden kann.“ (S. 20)

Dirk Jörke geht der Frage nach unter welchen Bedingungen Demokratie möglich ist, wenn sie die zentralen Versprechen der Demokratie erfüllen soll: die gleiche effektive Teilhabe aller Bürger am politischen Prozess und mehr soziale Gleichheit.

Ausgehend vom Demokratiedefizit der Europäischen Union geht Dirk Jörke der Frage nach, ob Demokratie in einem politischen Gebilde mit der Größe der EU grundsätzlich möglich ist und ob die Demokratie der Gegenwart die Bezeichnung verdient, d. h. ob sie den zentralen Versprechen der Demokratie nachkommt.

Zunächst wird dem Begriff und der von Demokratie nachgegangen, wo zwei zentrale Versprechen der Demokratie vorgestellt werden. Ausgehend von den Überlegungen des italienischen Rechtsphilosophen Norberto Bobbio wird die „gleiche effektive Teilhabe am politischen Prozess“ als erstes großes Versprechen der Demokratie formuliert.

Demokratie bedeutet mithin kollektive Handlungsmacht. (S. 27)

Es muss der Mehrheit in demokratischen Verfahren möglich sein, politische Veränderungen herbeizuführen.

In der Demokratie ist der Staat mithin in der Hand der gesamten Bürgerschaft, nicht in der Hand der Wenigen. (S. 30)

Das zweite Versprechen liegt im demokratischen Charakter des Strebens nach sozialer Gleichheit. In den weiteren Kapiteln wird aufgezeigt, wie sich dieses Verständnis von Demokratie mit der Größe von Herrschaftsräumen verändert und zunehmend durch ein stärker liberales Demokratieverständnis ersetzt wird.

Zunächst werden die unterschiedlichen Modelle von Bürgerschaft in Athen und Rom vorgestellt und die direkte Teilnahme der Bürgerschaft an der Demokratie in Athen mit der Idee von der gleichen Freiheit aber ohne gleiche Mitbestimmung der Bürger in Rom verglichen. Am Beispiel der politischen Theorien Montesquieus und Rosseaus sowie der amerikanischen Federalists und Anti-Federalists werden deren Vorstellung in Bezug auf die Größe der Herrschaftsgebilde erläutert.

In seinen weiteren Untersuchungen kommt Dirk Jörke zum Befund, dass unter den Demokratien, mittelgroße Staaten demokratischer sind als Große und sich die EU aufgrund ihrer Größe in eine „Liberale Autokratie“ entwickelt hat, in der es „keinen gemeinsamen Diskursraum und keinen gemeinsamen demos“ (S. 143) gibt.

Dirk Jörke konsequente und verständlich geschriebene Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Zustand der Demokratie und dem stetigen Rückgang des Einflusses der Bürgerschaft auf die reale Politik zeigt große demokratische Defizite auf und macht wesentliche gesellschaftspolitische Entwicklungen der Gegenwart verständlich.

Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das die Grundlage für ein Plädoyer zu mehr an Demokratie und Mitsprache der Bürger in Demokratie bietet und sich für eine politische Neuorientierung der EU ausspricht.

Dirk Jörke, Die Größe der Demokratie. Über die räumliche Dimension von Herrschaft und Partizipation
Berlin: Suhrkamp Verlag 2019, 283 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-518-12739-1

 

Weiterführende Links:
Suhrkamp Verlag: Dirk Jörke, Die Größe der Demokratie
Wikipedia: Dirk Jörke

 

Andreas Markt-Huter, 20-03-2020

Bibliographie

AutorIn

Dirk Jörke

Buchtitel

Die Größe der Demokratie. Über die räumliche Dimension von Herrschaft und Partizipation

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Suhrkamp Verlag

Seitenzahl

283

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-518-12739-1

Kurzbiographie AutorIn

Dirk Jörke wurde in Ahlen in Nordrhein-Westfalen geboren und studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Kiel, Hamburg und Greifenwald. Er ist Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Darmstadt. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten ist eine zeitgenössische Interpretation des Begriffs der Demokratie.