Mario Hladicz, Gedichte zwischen Uhr und Bett

mario hladicz gedichteOft ist der Kosmos eines Gedichtbandes schon im Titel abgesteckt, da gibt es Natur ohne Horizont, dünne Luft in Arkadien, Asteroiden in der Moebius-Schleife. Völlig geerdet ist hingegen ein Projekt, das sich schlicht Gedichte zwischen Uhr und Bett nennt.

Mario Hladicz setzt mit seinen Gedichten unvermittelt ein, kleine Sequenzen, die einem jäh vor die Linse tanzen, sind in Wahrheit vielleicht ein Gedicht, wenn man sich die Mühe nimmt, hinzusehen. Ziemlich kühl in die Abschnitte I, II und III unterteilt erinnern die Gedichte vielleicht an die alten Eisenbahnwaggons, wo es je nach Klasse immer ungefederter zugegangen ist. Die Einteilung könnte aber auch mit innig, halböffentlich und öffentlich gedeutet werden.

Das erste Gedicht ist schon Programm. In einem Ausriss aus einem Tagebuch leuchtet die Umgebung in den ihr zugeteilten Farben, der Nachbar wirft eine Erinnerung weg, und die Post stellt routinemäßig zu, während im Hof die Wäsche flattert. Jedes einzelne Partikel ist ein lyrisches Aha-Erlebnis und alles zusammen ergibt einen dichten Vormittag, wie man ihn zum Aufwärmen der Gedanken unabsichtlich ins Tagebuch schreibt.

Jemand kommt heim, aber es ist das falsche Haus, und im Dorfbahnhof hat jemand das Schild abzuhängen vergessen, komme gleich.

Draußen studieren / drei späte Wespen den Fahr- / plan vom letzten Jahr. // Die Uhr steht still auf zehn. / Viel Zeit, um zu entscheiden, / wohin man will. (21)

Die Ereignisse sind in ihrer stillen Art letztlich völlig spektakulär, wenn etwa in einem Sommer alle massenhaft die Wimpern verlieren und mit dem Wünschen nicht mehr nachkommen. Oder wenn das lyrische Ich die letzte Bewegung des Tages angeht.

Das Lesezeichen legte ich / sanft ins Buch mit meiner Hand, / von der kaum zu glauben war, / dass sie groben Schmerz zugefügt / hatte noch wenige Stunden zuvor. (33)

Die Gedichte spielen immer wieder auf große Gesten in der Literatur an. So wird aus Kafkas Sorge des Hausvaters leicht gegendert die Sorge der Mutter, und der mysteriöse Odradek spielt in Gestalt von zwei Kindern im Stiegenhaus. Logischerweise fällt auch der Trost für jemanden, der in einer Kleinstadt leben muss, beinahe kafkaesk aus.

Die Verzweiflung hier / ist nicht größer; // man trifft sich nur öfter / auf den wenigen Straßen, die // immer dorthin führen, / wo man schon war. (61)

Dabei kann der öffentliche Raum durchaus ins Leere führen, wenn man die richtige Zeit verpasst. Das muss ein Kind erfahren, das beim „Einschauen“ an einem Baumstamm herunterzählt auf null, und als es sich umdreht, sind alle weg.

Die Gedichte zwischen Uhr und Bett treffen das Herz eines jeden, der aus irgendeinem Grund mit dem Alltag zu tun hat. Und in einem Anflug von Beamtenwitz sagt jemand, das sind ideale Gedichte zwischen Büroschlaf und Stechuhr, dazwischen ist das Leben.

Mario Hladicz, Gedichte zwischen Uhr und Bett. Hrsg. und mit Nachwort von Helwig Brunner
Graz: Edition Keiper 2017 (= Keiper Lyrik 15), 96 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-903144-15-6

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Mario Hladicz, Gedichte zwischen Uhr und Bett
Literaturhaus Graz: Mario Hladicz

 

Helmuth Schönauer, 10-04-2018

Bibliographie

AutorIn

Mario Hladicz

Buchtitel

Gedichte zwischen Uhr und Bett

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Keiper

Herausgeber

Helwig Brunner

Reihe

Keiper Lyrik 15

Seitenzahl

96

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-903144-15-6

Kurzbiographie AutorIn

Mario Hladicz, geb. 1984 in Graz, ist Bibliothekar und Buchhändler in Graz.