Stephan Eibel Erzberg, breaking poems

erzberg breaking poemsNach dem Konzept der Beatniks kann die Literatur jederzeit losbrechen, zu keiner Tageszeit kann man sicher sein, dass nicht ein Gedicht ausbricht, bei keiner Wetterlage gibt es Gewissheit, dass nicht ein Held von der Fahrbahn abkommt und in den Graben stürzt.

Stephan Eibel Erzberg hat als Poesie-Vulkan alle Hände voll zu tun, die unerwartet auftretenden Drücke halbwegs zu dosieren und in alle Richtungen zu verströmen. Seine breaking poems erinnern nicht nur an Eil-Nachrichten, die über den Bildschirm laufen, sie sind auch handfeste Gedichte-Klumpen, die durch die Gegend schwirren.

Seinen jüngsten „Ausbruch“ hat er mit den politischen Leitwörtern der 68er Bewegung überschrieben: öffentlich, privat, sehr privat. Die logische Widmung dieses Vorgehens lautet daher „für alle“.

Im öffentlichen Teil geht es naturgemäß um jene Globalisierung, die das Individuum zumindest zuschüttet, wenn es eigenständig zu sein versucht.

wahnsinn / wahnsinn / wahnsinn // ja, bin schon da // irrsinn / irrsinn / irrsinn // ja, bin schon da (10)

Dieses Gedicht funktioniert als Alptraum, innerer Monolog oder Floskel, die man ins Smartphon brüllt, wenn die Falschen zuhören. Manche hören aus den Versen auch den Kasperl, wenn er seine Ankunft ankündigt.

Das Zauberwort politischen Agierens heißt mittlerweile „postfaktisch“. In einem Definitionsgedicht wird das Wesen dieser Verleumdungsstrategie aufgezeigt.

ich heiße inge / du bist eine kuh // ich heiße herbert // du bist ein hund // […] // ich heiße omid / du bist a asylantensau (17)

Öffentlichkeit spielt sich auch auf der Toilette ab, zumindest in knallbunten Bildern, wenn einer lyrischen Figur ins Hirn geschissen wird und nicht geklärt ist, wer jetzt hinunterspülen muss.

In der privaten Zone legt sich das lyrische Ich ins Bettchen und spricht in Verkleinerungsform ein Gebetchen, wonach es das nächste Tägchen wieder gut beginnen möchte. Diese Huldigung an den Infantilismus zeigt die Häme, mit der die Individuen glattgestreichelt und erniedrigt werden bis zur Verniedlichung.

Die Steigerung von privat ist schließlich sehrt privat, wobei in einem Liebesgedicht durchaus einmal die Genitalien ausgepackt werden, dazu sind sie schließlich da, wenn sie nicht gerade für ein Meta-Gedicht gebraucht werden.

Im Nachwort „Erz, Berg, Gummi, Löcher“ von Andrea Maria Dusl treffen sich zwei Steirer in Wien. Sie umarmen sich als zwei verlorene Kinder, die in einer großen Stadt für ein paar Augenblicke das Helle der Kindheit erfahren dürfen, eingeklemmt zwischen Kinderwagen und Fahrrad. Das trifft es genau, denn Stephan Eibel Erzbergs „breaking poems“ sind spontane Umarmungen, die zumindest für ein paar Atemzüge alles gut werden lassen.

sah aus wie vierzehn / und ich wusste / ich werd auf sie warten (85)

Stephan Eibel Erzberg, breaking poems. Gedichte, mit einem Nachwort von Andrea Maria Dusl
Innsbruck: Limbus Verlag 2018, 95 Seiten, 13,00 €, ISBN 978-3-99039-124-2

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Stephan Eibel Erzberg, breaking poems
Wikipedia: Stephan Eibel Erzberg

 

Helmuth Schönauer, 02-06-2018

 

Bibliographie

AutorIn

Stephan Eibel Erzberg

Buchtitel

breaking poems. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

95

Preis in EUR

13,00

ISBN

978-3-99039-124-2

Kurzbiographie AutorIn

Stephan Eibel Erzberg, geb. 1953 in Eisenerz, lebt in Wien.