Paula Bleckmann / Ralf Lankau (Hg.), Digitale Medien und Unterricht - Eine Kontroverse

paula bleckmann, digitale medien und unterricht„Welche Rolle sollten die digitalen Medien in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen spielen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns mit grundlegenderen Fragen befassen. Auf welche Zukunft wollen wir sie vorbereiten? Können digitale Medien hierfür produktiv genutzt werden? […] Oder steht der Einsatz digitaler Medien dem Erreichen der gewünschten Entwicklungsziele entgegen, abhängig von Entwicklungsphasen, Umfang und Art des Einsatzes?“ (S. 9)

Der Einsatz digitaler Medien im schulischen Unterricht hat mit der Corona-Epidemie einen neuen Entwicklungsschub erreicht. Umso mehr stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten und Risiken eines zunehmenden Einsatzes elektronischer Medien im Schulbereich. Das Sachbuch „Digitale Medien“ versammelt zahlreiche Fachbeiträge von Medienpädagogen und Pädagogen, die untersuchen, wie sich digitale Medien sinnvoll im Unterricht einbinden lassen, welche entwicklungspädagogischen Voraussetzungen zu berücksichtigen sind und welche Gefahren digitale Medien für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit sich bringen.

In der Einleitung wird bewusst auf die schiefe Forschungslage hingewiesen, weil der Schwerpunkt der Untersuchungen und Veröffentlichungen die Vorteile der Verwendung digitaler Medien zum Thema haben. Der Schwerpunkt der Blickrichtung wird dabei auf die technischen Voraussetzungen, die Weiterbildung des Lehrpersonal und die geeigneten Lernmaterialien für einen gezielten Einsatz in einem Unterricht mit digitalen Medien gelegt. Stimmen die heute den Einsatz neuer Medien kritisch betrachten, werden häufig als rückständig und technikfeindlich abqualifiziert. Die Aufsatzsammlung versucht bewusst ein Gegenbild zu schaffen und stellt als Grundtenor die Forderung auf, dass der Einsatz digitaler Medien ganz eng mit den kindlichen Entwicklungsstufen in Verbindung gesetzt werden muss und im Kindergarten und Grundschulbereich überhaupt nicht stattfinden solle.

In dreizehn Beiträgen von 22 Autorinnen und Autoren werden unterschiedliche Themenbereiche der digitalen Herausforderungen für den Schulbereich behandelt. Im Kapitel „Technikfolgenabschätzung bei »Digitaler Bildung«“ plädieren die Autorinnen dafür, eine Technikfolgenabschätzung zu installieren, die auch ethische Fragestellungen einbezieht, ganz besonders, wenn es sich bei den von den Entwicklungen Betroffenen um Minderjährige handelt.

Der Beitrag „Entwicklungsorientierte Medienpädagogik im Zeitalter der verschwindenden Schrift“ plädiert für eine „Pädagogik vom Kinde aus“ im Gegensatz zu einer „Pädagogik vom Computer aus“ (S. 38) Dazu braucht es eine kindergerechte Umgebung, einen freien Raum der Entwicklung, der nicht von den Forderungen digitaler Technik bestimmt wird. Gerade der Verfall des Schriftverständnisses, das ein nacheinander und damit ein linear-logisches Denken erfordert, kann dazu führen, dass das rational-logische Denken zunehmend verloren geht.

Der Beitrag „Vom Unterrichten zum Bildungscontrolling“ setzt sich kritisch mit den Zielen der Digitalisierung von Schule und Unterricht auseinander. Obwohl Smartphones, Web und Apps Techniken des 21. Jahrhunderts sind, bringen sie im pädagogischen Bereich Rückschritte in die Zeit der 1950er Jahre und stelle eine Technik der Gegenaufklärung dar, die einem demokratisch, humanistischen Bildungsauftrag von Schulen widerspricht.

Der Diskurs über den Sinn der Digitalisierung steht noch aus. (S. 64)

Der Beitrag „Hat die Digitalisierung der Lebenswelten unserer Kinder und Jugendlichen so viele Vorteile?“ (S. 69) wirft einen kritischen Blick auf die Frage und fordert eine dem Alter angemessene Förderung, die Abwesenheit von Risiko- und Störfaktoren und das Vorhandensein von Resilienzfaktoren und Ressourcen.“ (S. 73) Gerade anhand der BLIKK-Medienstudie ließen sich eindeutige Zusammenhänge zwischen der Nutzung digitaler Bildschirmmedien und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen ermitteln.

Im Artikel „Die Rechnung kann nicht ohne den Wirt gemacht werden: Das Gehirn des Kindes“ (S. 85) wird anhand einer kleinen Reise durch das Gehirn gezeigt, „warum Kinder und Jugendliche gar nicht digital lernen können“ (S. 85), welche Risiken eine Kind-Computer-Kommunikation in sich birgt und warum für Kinder und Jugendliche digitale Medien so beliebt sind.

Der Beitrag „Bildung und Medien – die Perspektive eines Kinder- und Jugendarztes“ (S. 98) geht drei grundlegenden Fragen nach: Was ist Bildung? Was sind Medien? Eine praktische Auseinandersetzung mit dem Thema digitale Medien bietet der Beitrag „Polizeiliche Prävention zu Mediengefahren“ in dem die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit mit digitalen Medien angesprochen werden, wie z.B. Persönlichkeits- und Urheberrechte, Cybermobbing und rechtliche Konsequenzen.

Ebenfalls auf die Gefahren für Kinder verweist der Artikel „Crossmediale Angriffe auf Kinder – die dunkle Seite des Marketings“. Dabei werden ganz besonders die Strategien der Werbeindustrie ins Blickfeld genommen, die sich auf Kinder als Konsumenten richten. Der Beitrag „WLAN an Kitas und Schulen: Ein Hype verdrängt Risiken“ (S. 132) geht den physischen und psychischen Risiken für junge Kinder durch Mobilfunkstrahlung in Gebäuden nach und unterstützt ein Verbot von WLAN an Schulen. Weitere Beiträge stellen Maßnahmen wie regional koordinierte Bildungsprojekte oder Vorbeugemaßnahmen gegen Digital-Risiken vor, zu denen auch eine Mediensuchtprävention in Kindergärten und Volksschulen gehört.

„Digitale Medien und Unterricht. Eine Kontroverse“ bietet einen breiten Überblick über Fragen und Gefahren, die der Einsatz digitaler Medien im Unterricht mit sich bringt. Dabei kommen vor allem Meinungen und Perspektiven zu Wert, die in der Euphorie der schulischen Digitalisierung vernachlässigt oder bewusst ausgespart bleiben.

Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch für alle, die sich mit dem Thema Digitalisierung an Schulen auseinandersetzen wollen und dabei vor allem die Vor- und Nachteile für Kinder und Jugendlichen bewusst analysieren und abwägen wollen.

Paula Bleckmann / Ralf Lankau (Hg.), Digitale Medien und Unterricht. Eine Kontroverse
Weinheim: Beltz Verlag 2019, 183 Seiten, 30,80 €, ISBN 978-3-407-25814-4

 

Weiterführende Links:
Beltz Verlag: Paula Bleckmann / Ralf Lankau (Hg.), Digitale Medien und Unterricht
Wikipedia: Paula Bleckmann
Wikipedia: Ralf Lanka

 

Andreas Markt-Huter, 11-03-2021

Bibliographie

AutorIn

Paula Bleckmann / Ralf Lankau u.a.

Buchtitel

Digitale Medien und Unterricht. Eine Kontroverse

Erscheinungsort

Weinheim

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Beltz Verlag

Herausgeber

Paula Bleckmann / Ralf Lankau

Seitenzahl

183

Preis in EUR

30,80

ISBN

978-3-407-25814-4

Kurzbiographie AutorIn

Dr. Paula Bleckmann ist Computerspielsuchtexpertin und Professorin für Medienpädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn.

Prof. Dr. Ralf Lankau ist Grafiker, Philologe und Kunstpädagoge. Er unterrichtet seit 2002 als Professor für Mediengestaltung und Medientheorie an der Hochschule Offenburg und forscht zu Digitaltechnik, Kommunikationswissenschaft und Medienpädagogik.