Per Molander, Condorcets Irrtum
„Die Hypothese von Condorcet, dem dieses Buch gewidmet ist, war, dass die Ideale der Aufklärung sich mehr oder minder automatisch verwirklichen würden, wenn die Bevölkerung erst einmal das Joch des Ancien Régime abgeschüttelt hätte. Zweihundert Jahre später müssen wir feststellen, dass diese Hypthoese allzu optimistisch war.“ (S. 9)
In der Auseinandersetzung mit dem französischen Philosophen der Aufklärung und Mitglied der Nationalversammlung während der französischen Revolution kritisiert Molander den zunehmenden demokratischen Verfall, durch die immer enger werdende Verflechtung zwischen Staat und wirtschaftlichen Interessen in der Gegenwart.
In dreizehn Kapiteln geht Molander den Grundlagen der Demokratie nach, wie sie im Denken der Aufklärung entwickelt worden sind. Dabei werden die überaus modern anmutenden Forderungen Condorcets nach einem allgemeinen und obligatorischen Bildungssystem, nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, eine sozioökonomische Kosten-Nutzenanalyse und die Einrichtung einer Sozialversicherung als Grundlage einer Demokratie gewürdigt. Kritisch betrachtet wird hingegen Condorcets Hoffnung, dass sich die Ideale der Aufklärung in einer demokratischen Gesellschaft mehr oder weniger automatisch verwirklichen würden.
Molander zeigt in seiner Auseinandersetzung mit dem Leben und Denken Condorcets auf, dass demokratische Mitsprache und Struktur ständig angegriffen werden und von den Menschen verteidigt und neu erkämpft werden müssen. Während Condorcet die Freiheit der Bürger im Zurückdrängen des Ancient Regimes erblickt hat, sieht Molander in der Gegenwart nur in einem starken Staat den Garanten für eine demokratische Gesellschaft, die durch die Wirtschaft und die großen weltweit agierenden Konzerne in immer stärker unter Druck gerät.
Per Molander gelingt es mit großer Geste die Entwicklung aufklärerischen Denkens in der Geschichte Europas und der außereuropäischen Welt vom Mittelalter bis in die Zeit der Aufklärung nachzuzeichnen und mit den Entwicklungen in der Gegenwart in Beziehung zu setzen. Dabei wird an konkreten Beispielen vor allem die wichtige Bedeutung der Rolle des Staates als letzte Kontroll- und Entscheidungsinstanz in der globalisierten und von der Wirtschaft dominierten Welt der Gegenwart herausgestrichen.
Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das die Ideen der Aufklärung am Beispiel von Condorcets Denkens analysiert und ihre Bedeutung für die Gegenwart herauszuarbeiten versteht. Als Quintessenz bleibt die Forderung im Raum, dass die Demokratie von jeder Generation für sich erkämpft werden muss.
Per Molander, Condorcets Irrtum. Warum nur ein starker Staat die Demokratie retten kann, übers. v. Kristina Maidt-Zinke [Orig. Titel: Condorcets misstag – Hoten mot staten och demokratin]
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2021, 336 Seiten, 26,70 €, ISBN 978-3-86489-241-7
Weiterführende Links:
Westend Verlag: Per Molander, Condorcets Irrtum
Wikipedia: Per Molander
Wikipedia: Condorcet
Andreas Markt-Huter, 05-03-2021