Simon Loidl, Endstation Ananas

simon loidl, endstation ananasManche Dinge sind gesellschaftlich so ungeklärt, dass man als Schriftsteller nicht einmal abschätzen kann, welche Gattung man dafür verwenden sollte.

Simon Loidl verwendet für seine „Endstation Ananas“ jedenfalls eine offene Gattung. In einem Strukturverzeichnis am Ende des Buches sind die einzelnen Abschnitte aufgeschlüsselt mit amorphen Begriffen wie Nachtruhe, Tagwerk, Totschlagen oder Feierabend, die nummeriert gleich mehrfach vorkommen. Um das Vage dieser Begriffe zu unterstreichen, sind sie in einer verschwommenen Schrift gehalten wie von einem ausgeleierten Schreibmaschinenband heruntergewischt. Dazwischen gibt es die magischen Episoden „In der Tiefe“, „Maria und die anderen“ oder „Ausgespielt“. Und der Titel gehört wohl auch in die Kategorie rätselhaft. Bei der „Endstation Ananas“ handelt es sich um eine Band, die man nicht bewusst aufsuchen kann, sondern von deren Auftritten man sich streifen und berühren lassen muss.

Helden des Ananas-Dramas sind Vertreter einer Generation, die alles nur falsch machen kann, ob sie etwas in Angriff nimmt oder gleich aufs AMS geht. Federführend für die extremen Lebensstile sind Robert, der im entscheidenden Moment zu wenig arbeitet, und Hannes, der vom prekären Arbeitsverhältnis als Garderobiere in einem Theater ins Permanent-Prekariat wechseln muss.

In diesem Lichte ist auch die zynische Semantik von Tagwerk und Nachtruhe zu verstehen. Das Tagwerk braucht man vor allem, um sich körperlich zu sanieren, indem man ordentlich schläft, und die Nachtruhe ist die einzige Spielfläche, auf der man noch etwas ausprobieren kann. In so einem Ambiente entwickeln sich oft tollkühne Konsum- und Kulturverhalten, Robert beispielsweise tut nichts lieber, als an einer Wursttheke zuzusehen, wie alles aufgeschnitten wird, was einmal wie ein Schniedel ausgesehen hat.

In den diversen Tag- und Nachtschichten geht es immer wieder um die Arbeitswelt. Es kommt gar nicht gut an, wenn man sich am Donnerstag schon mit „schönes Wochenende“ vertschüsst, oder wenn man einen Betriebsrat aktiviert, sobald jemand gekündigt wird. Die Chefs reden sich in ihren Entscheidungen auf höhere Umstände aus und sind letztlich selbst Getriebene eines Systems, das aus dem Ruder gelaufen ist.

Während die beiden Haupthelden ihre Rollen abwickeln und dabei zu schönen Erkenntnissen kommen, wie etwa einem Rausch, den man nicht verschenken darf (68), treten fast jede Nacht neue Akteure ins Rampenlicht und versuchen, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Dabei sind diese Helden schon so müde, dass sie zwar zusammen ins Bett gehen, aber nur mit der Spielregel, dass es keinen Sex gibt. „Nicht einmal aneinander reiben!“

In Berlin gibt es ein Fotoshooting und zwei Freundinnen fahren zum Set. Aber es wird nichts daraus, die eine hängt daraufhin in einer Bar ab, die andere fährt wieder nach Wien, um dort eine ereignislose Nachtruhe zu zelebrieren.

Alle sind irgendwie immer in Bewegung, aber niemand hat einen Plan. Es geht darum, Tage und Nächte zeitgerecht auszufüllen und fallweise ordentlich abzuhängen. „Endstation Ananas“ sind vielleicht die einzigen, die ein Konzept haben, zumindest haben sie einen tollen Namen als Programm.

Am Schluss steht Robert wieder einmal vor der Wursttheke und schaut der Aufschnitt-Maschine zu. Es ist vielleicht die einzige Lebensaufgabe, die Sinn macht. - Unendlich abgehangen und grotesk!

Simon Loidl, Endstation Ananas.
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2018, 130 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3-903125-34-6

 

Weiterführender Link:
Sisyphus Verlag: Simon Loidl, Endstation Ananas

 

Helmuth Schönauer, 10-11-2018

Bibliographie

AutorIn

Simon Loidl

Buchtitel

Endstation Ananas

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

130

Preis in EUR

14,80

ISBN

978-3-903125-34-6

Kurzbiographie AutorIn

Simon Loidl, geb. 1977 in Salzburg, lebt in Wien.