Carl Djerassi, EGO

Buch-Cover

Vermutlich jeder hat einmal als Kind davon geträumt, seinem eigenen Begräbnis zusehen zu dürfen, denn niemals ist die Freude so groß, wie wenn andere um einen weinen.

Schriftsteller träumen ein Leben lang davon, dass um sie geweint wird, vor allem, wo sie doch so tolle Sachen geschrieben haben. Das echte Ego ist also zeitlos und kommt oft erst nach dem Tod zur vollen Geltung.

Carl Djerassi schickt gleich zweimal seinen Schriftsteller los, um diese Unsterblichkeit zu erkunden. Einmal als Roman, der auf Deutsch erstmals 1994 unter dem Titel ?Marx, verschieden? erschienen ist, und dann als Theaterstück EGO, 2003 in Edinburgh uraufgeführt. Dieser Doppelauftritt des Stoffes über zehn Jahre hingestreckt zeigt schon diepermanente Aktualität des Themas. Es geht um die schlichte Frage: Was bleibt, wenn ich nicht mehr bin?

Wissenschaftler halten sich an die Illusion, dass ihre Forschungen eine gewisse Unsterblichkeit auslösen werden. Schon längst verwest, funktionieren bei etwas Glück noch immer die Erfindungen. Was aber geschieht mit Schriftstellern, die ja eng an die Zeit gebunden sind und nur mühsam von Rezensenten, Lesern und Dissertanten am Leben gehalten werden?

Im Roman inszeniert der Schriftsteller Marx seinen Tod, lässt beim Segeln einen tollen Abgang offen und schreibt inkognito weiter. Seine Frau hat ohnehin nichts mehr im Sinn mit ihm außer selber ein Kochbuch zu schreiben. Scheidung liegt in der Luft. In einem packenden Anfall von Krimi macht sich eine neue Frau auf den Weg, den verschollenen Dichter zu finden.

Es gibt also doch die Liebe nach dem Tod, und lecker ist es, wenn man diese gar noch konsumieren kann. Marx ist hingerissen von seiner eigenen Unsterblichkeit, aber wie im Krimi üblich, tauchen unerwartet Lösungen auf, wo sie der Held gar nicht erwartet.

Im Theaterstück schließlich muss ein Therapeut die Unsterblichkeitsgelüste zwischen Mann und Frau Marx, er fünfzig, sie vierzig, auseinander und aneinander vorbei bringen. Auch hier geht es um Hinterlassenschaften und jenem Eigenbild, das erst post mortem an die Wahrheit herankommt.

Der raffinierte Titel setzt sich natürlich mit dem Ego auseinander, aber auch die Verstümmelungen von L-EGO oder E-Go, wie es ein E-Mail gibt, lassen akzeptable Deutungen zu. Anhand dieses EGO-Projektes wird auch die didaktische und dialektische Kraft der Literatur sichtbar. Carl Djerassi versucht mit der Intelligenz eines Wissenschaftlers und der Emotion eines Lebensphilosophen, die Geschichte um den Sinn des Lebens offen zu halten, in dem er sie immer wieder in allen Facetten neu erzählt.

Carl Djerassi, EGO. Roman und Theaterstück. A. d. Amerikan. von Ursula-Maria
Mössner.
Innsbruck: Haymon 2004. 282 Seiten. EUR 24,-. ISBN 3-85218-448-7.

 

Helmuth Schönauer 03-08-2004

Bibliographie

AutorIn

Carl Djerassi

Buchtitel

EGO. Roman und Theaterstück

Originaltitel

EGO

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Haymon

Übersetzung

Ursula-Maria Mössner

Seitenzahl

282

Preis in EUR

EUR 24,-

ISBN

3-85218-448-7

Kurzbiographie AutorIn

Carl Djerassi, geb. 1923 in Wien, lebt in Kalifornien.