Walter Grond, Drei Männer

Buch-Cover

"Einzig in der Grazer Tagespost, einem österreichischen Provinzblatt, war von ihrem Tod zu lesen: Prinzessin Djavidan ist am 5. August 1968 nach kurzem Leiden im 92. Lebensjahr sanft entschlafen." (72)

So eine sanfte Entschlafung macht natürlich neugierig, wer ist diese Prinzessin, was hat sie so getrieben?

Walter Grond, vermutlich der intensivste Erzähltheoretiker der österreichischen
Gegenwartsliteratur, legt diesen Lebenslauf höchst literarisch an. Seht her, so kann man ein Leben einkreisen, wenn man ein Jahrhundert Erzähl- und Einkreisungstheorie studiert hat!

Das Leben der Prinzessin wird von drei epochalen Männerhaltungen aufgearbeitet.
Als zum Islam konvertierte Hauptfrau dient die Prinzessin vor dem Ersten Weltkrieg einem ägyptischen Vizekönig in allen Belangen. Beschrieben wird dieser Abschnitt der orientalischen Prunk- und Protzbeziehung von einem Doppelgänger des Vizekönigs, der freilich kastriert ist. Die kastrierte Schilderung der Erotik macht diese Frau auf jeden Fall ungewöhnlich.

In der mittleren Epoche kommt es offensichtlich in Berlin zu Begegnungen mit Gerhart Hauptmann und Robert Musil. Während Hauptmann Hörspiele und fleischliche Darbietungen konzipiert, äußert sich Robert Musil von der Ferne als völlig hingerissener Eigenschmachtfetzen, das Schmachten freilich wird sublim als Schwärmerei ausgelegt. Mit dem Vokabular Musilscher Figuren sintert diese Fernbeziehung zur Prinzessin ?Meh? als literarische Groteske aus.

?Von diesem Tag an empfand der Romancier eine charakterliche Nähe zu Meh, ein inneres Einverständnis, einem inzestuösen Verlangen verwandt, das sich Ausdruck verschafft. Seine männliche Energie floss auf das Papier, während Meh ihren Körper von Launen anderer beschriften ließ; sie beide waren nicht vollkommen und hatten doch das Vollkommene vor Augen. Ihre Schwester ähnelte seiner Gattin; einem Anbau zum Haus, an den man sich gewöhnt hat.? (62)

Wie so oft, wenn die Dichter wörtlich genommen werden, schlagen die hehren Sätze in Katapulte für Gelächter um. Erotik als Eskapismus für verzopfte Seelen, daraus lassen sich Lebensläufe der besonderen Art stricken. Der letzte Teil berichtet vom Partezettel rückwärts von der Altersbeziehung zu einem Philipp G., die gut fünfundzwanzig Jahre gedauert hat. In dieser Zeit gilt es, sich selbst und das verflossene Jahrhundert aufzuräumen.

Die Männer erzählen also aus den Perspektiven des Eunuchen, des schmachtenden
Romanciers und des altersschwachen Seniorgesponsen von der resch frisierten Lebensfahrt einer Prinzessin mit gesellschaftlich hochgebohrtem Tuning. In einem kleinen Abspann erwähnt Walter Grond einige literarische Leckerbissen, die ihn zu dieser witzigen Novelle angeregt haben. Dabei steht der wunschlose Unglücksmythos eines Peter Handke genauso Spalier wie eben der gesamte Robert Musil samt Deutungen und der Patenschaft für den Titel. Aus den Drei Frauen sind jetzt Drei Männer geworden.

Walter Grond erzählt nichts Überflüssiges, die Novellenform hält ihn stramm bei Erzählfuß, und plötzlich funktioniert etwas so Altmodisches wie eine exzentrische Biographie auf aktuelle Weise: Literatur ist immer spitz und heftig, wenn sie aktuell zugespitzt wird. Mister Grond hat gut gespitzt!

Walter Grond, Drei Männer. Novelle.
Innsbruck: Haymon 2004. 112 Seiten. EUR 15,90. ISBN 3-85218-456-8.

 

Helmuth Schönauer 16-08-2004

Bibliographie

AutorIn

Walter Grond

Buchtitel

Drei Männer

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Haymon

Seitenzahl

112

Preis in EUR

EUR 15,90

ISBN

3-85218-456-8

Kurzbiographie AutorIn

Walter Grond, geb. 1957, lebt in Aggsbach Dorf/Wachau.