Jörg van Norden u.a. (Hg.), Geschichtsdidaktik in der Debatte

jörg van norden, geschichtsdidaktik in der debatte„Gute Wissenschaftspraxis erwartet fortlaufende Selbstreflexion und kritischen Austausch auch über die Grenzen der eigenen Fachdisziplinen hinaus. Sich Ansätzen und Kritik anderer Perspektiven zu verschließen, würde Einbußen in gesellschaftlicher Legitimation und Resonanz sowie Weiterentwicklung der eigenen Forschung und Lehre bedeuten. Das betrifft Disziplinen, deren Forschungsfeld und Zielkategorien im Bildungsbereich zu finden sind, möglicherweise noch einmal im Besonderen, weil kaum ein Forschungsgegenstand die Aufmerksamkeit derart vieler Fachperspektiven bündelt und auch verlangt.“ (S. 7)

Die Geschichtsdidaktik berücksichtigt verschiedene inhaltliche und thematische Bereiche, deren bewusste Beachtung und Umsetzung im Unterricht und Bildungsbereich von großer Bedeutung sind. „Geschichtsdidaktik in der Debatte“ bietet interessante Einblicke in die wissenschaftliche Diskussion zu verschiedenen Themenbereichen.

In sechs Kapiteln werden verschiedene Themenschwerpunkte mit jeweils zwei Beiträgen, zunächst aus einer geschichtsdidaktischen Perspektive und anschließend aus der Sicht einer anderen Fachdisziplin, abgehandelt. Das 1. Kapitel „Bilder“ behandelt die Problematik des Einsatzes von Bildern im Geschichtsunterricht und worauf dabei zu achten ist. Dabei werden verschiedene Techniken der Bildinterpretation kritisch untersucht und auf die Wert- und Standortgebundenheit der Betrachter hingewiesen. Aus der Sicht der Kunstgeschichte stellt sich hingegen die Frage, ob wir Bilder zum Reden bringen können, oder ob Bilder weniger zu uns sprechen als vielmehr eine spezifische Zeitlichkeit vermitteln.

Im 2. Kapitel „Erinnerungskultur“ steht speziell die didaktische Aufbereitung der Erinnerung an die NS-Zeit und den Holocaust sowie in Deutschland das Ende der DDR im Mittelpunkt. Dabei werden die unterschiedlichen Konzepte „Erinnerungskultur“ und „Geschichtskultur“ erläutert und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Kapitel 3 „Kritisches politisches Denken braucht kritisches historischen Denken“ verweist auf den engen Zusammenhang zwischen einer kritischen Betrachtungsweise von Geschichte und der Entwicklung eines kritischen politischen Bewusstseins. Dabei besteht aus politikdidaktischer Sicht aber auch die Gefahr, dass politische Möglichkeitsräume durch eine historische Analyse verschlossen werden.

Kapitel „Inklusion zwischen Sonderpädagogik und Fachdidaktik“ behandelt das Zusammenspiel der beiden Fachbereiche, deren konkrete Umsetzung aber mitunter heftig diskutiert wird. Im 5. Kapitel „Kompetenzorientierung – eine Sackgasse? Nein!“ wird die zunehmende Ausrichtung des Unterrichts auf messbare Kompetenzen thematisiert, wobei sowohl unterschiedliche Konzepte und konkrete Umsetzungen kritisch angesprochen als auch eine bestimmte Form der Instrumentalisierung der Kompetenzorientierung in der Didaktik werden.

Das abschließende Kapitel „Narrativität im Geschichtsunterricht oder vom unaufhörlichen Erzählen“ hebt die Bedeutung des Erzählens für die Geschichte und die Vermittlung von Geschichte hervor, wobei auf die wichtige Rolle der Vermittlung literarischer Kompetenzen hingewiesen wird.

„Geschichtsdidaktik in der Debatte“ versammelt verschiedene Beiträge zu einem interdisziplinären Diskurs zwischen Geschichtsdidaktik und Teildisziplinen wie Literaturwissenschaft, Psychologie, Politikwissenschaft, Sonderpädagogik und Germanistik. Dabei eröffnen unterschiedliche Blickwinkel aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen interessante Betrachtungsweisen zu ausgewählten Themenbereiche der Geschichtsdidaktik.

Ein ebenso interessantes wie informatives und anregendes Sachbuch zur Geschichtsdidaktik, das ein breites Themenspektrum verständlich und mit zahlreichen Hinweisen auf den schulischen Unterricht vermittelt.

Thomas Must / Jörg van Norden / Nina Martini (Hg.), Geschichtsdidaktik in der Debatte. Beiträge zu einem interdisziplinären Diskurs. Aus. d. Reihe: Geschichtsdidaktik theoretisch
Frankfurt a. Main: Wochenschau Verlag 2022, 200 Seiten, 30,80 €, ISBN 978-3-7344-1408-4

 

Weiterführende Links:
Wochenschau Verlag: Thomas Must u.a. (Hg.), Geschichtsdidaktik in der Debatte
Wikipedia: Jörg van Norden

 

Andreas Markt-Huter, 03-07-2023

Bibliographie

AutorIn

Jörg van Norden / Brita Hochkirchen / Juliane Brauer u.a.

Buchtitel

Geschichtsdidaktik in der Debatte. Beiträge zu einem interdisziplinären Diskurs

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

Wochenschau Verlag

Herausgeber

Thomas Must / Jörg van Norden / Nina Martini (Hg.)

Reihe

Geschichtsdidaktik theoretisch

Seitenzahl

200

Preis in EUR

30,80

ISBN

978-3-7344-1408-4

Kurzbiographie AutorIn

Jörg van Norden, Dr., Professor für Didaktik der Geschichte, Universität Bielefeld

Thomas Must, Dr. Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter für Didaktik der Geschichte, Universität Bielefeld

Nina Martini, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Didaktik der Geschichte, Universität Bielefeld