Edward S. Herman / Noam Chomsky, Die Konsensfabrik
„Keine andere Theorie der Journalismusforschung geht so hart und unversöhnlich mit den kommerziellen Nachrichtenmedien ins Gericht wie das Propagandamodell von Edward S. Herman und Noam Chomsky. In dem vorliegenden Buch […] haben die etablierten Medien in liberalen Demokratien eine Hauptfunktion, nämlich »Propaganda« zu betreiben. Das meint: Sie versuchen, etablierte Machtverhältnisse zu stabilisieren und in der Bevölkerung einen Konsens zu einer Politik und einem Wirtschaftssystem herzustellen, die vor allem den Interessen einer mächtigen Minderheit dienen.“ (S. 7)
Das bedeutende Werk „Die Konsensfabrik: Die politische Ökonomie der Massenmedien“ der beiden amerikanischen Gesellschaftswissenschaftler Edward S. Herman und Noam Chomsky, wurde bereits im Jahr 1988 veröffentlicht und nun erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht. Das Sachbuch bietet eine tiefgehende Analyse der Massenmedien und ihrer Rolle in der politischen und gesellschaftlichen Informationsvermittlung. Die zentrale These des Buches lautet: Medien in kapitalistischen Gesellschaften neigen dazu, durch verschiedene Mechanismen die Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten zu fördern und zu stabilisieren.
Im ersten Kapitel „Ein Propagandamodell“ wird ein Konzept entwickelt, mit dem erklärt werden soll, wie die Medien Propaganda im Sinne von „Public Relations“, „Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Strategischer Kommunikation“ betreiben. Sie stellen fünf zentrale Filter vor, mit denen die Nachrichtenauswahl und -präsentation beeinflusst wird, wobei der letzte Punkt Antikommunismus noch auf die Zeit des Kalten Krieges verweist:
1. Größe, Eigentumsverhältnisse und Profitorientierung privater Medienunternehmen
2. Werbung als primäre Einnahmequelle
3. die bevorzugte Verwendung offizieller Quellen
4. Flak als Instrument zur Disziplinierung
5. Antikommunismus als dominante Ideologie
Massenmedien fungieren als ein System zur Kommunikation von Botschaften und Symbolen an die Bevölkerung als Ganzes. (S. 129)
Im Kapitel „Wertvolle und wertlose Opfer“ wird aufgezeigt, wie Medien Opfer und Schäden je nach ideologischer Ausrichtung unterschiedliche bewerten, zur Kenntnis nehmen und öffentlich vermitteln. Die folgenden Kapitel über die Berichterstattung über Wahlen in der Dritten Welt, ein Komplott zur Ermordung des Papstes, die Kriege in Vietnam, Laos und Kambodscha bieten ein umfangreiches Belegmaterial, mit dem die Autoren ihre Argumente auf eine Fülle von Fallstudien und empirischen Daten stützen und ihre Thesen untermauern. Sie zeigen auf, wie Medieneigentum, Werbung, politische Einflussnahme und andere Faktoren dazu beitragen, dass die Medien bestimmte Geschichten priorisieren und andere vernachlässigen.
Ein wichtiger Beitrag des Buches besteht darin, die Medien als Teil eines größeren Systems der sozialen Kontrolle zu verstehen und zu zeigen, wie Medien dazu beitragen, die öffentliche Meinung zu formen und oft unbemerkt die Interessen der Mächtigen zu bedienen.
„Die Konsensfabrik“ hat in den USA und darüber hinaus dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Medienlandschaft und ihre Einflüsse auf die Gesellschaft zu schärfen und einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Medienkonzentration, Meinungsbildung und demokratische Prozesse geleistet.
Das überaus empfehlenswerte und lesenswerte Sachbuch zur Medienkritik kann allen Leserinnen und Lesern, die sich für die Beziehung zwischen Medien, Politik und Wirtschaft interessieren, gerne weiterempfohlen werden.
Edward S. Herman / Noam Chomsky, Die Konsensfabrik. Die politische Ökonomie der Massenmedien, hrsg. vom Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft, übers. v. Michael Schiffmann [Orig. Titel: Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media]
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2023, 704 Seiten, 46,50 €, ISBN 978-3-86489-391-9
Weiterführende Links:
Westend Verlag: Edward S. Herman / Noam Chomsky, Die Konsensfabrik
Wikipedia: Edward S. Herman
Wikipedia: Noam Chomsky
Andreas Markt-Huter, 02-10-2023