Heinz D. Heisl, Wohin ich schon immer einmal wollte

heisl_wohin.jpgHeinz D. Heisls Eisenbahngeschichten handeln meist von einem Ich, das zwischen Zürich und Innsbruck unterwegs ist. Aber dem Erzähler gehen schon manchmal auch die Garnituren durch, die dann in ihren Sitzfahrplänen von weit entfernten Städten berichten und das Herz quer durch Europa flitzen lassen.

Auf den ersten Blick sind die Schaffner so genannte Zugbegleiter, aber wenn sie reden, outen sie sich als geheime Kafka-Experten oder als Philosophen grotesker Erscheinungen. Und auch der Erzähler neigt zum Obskuren und geht sich zwischendurch selber auf dem Leim.

So sieht er sich beispielsweise selbst in einem anderen Zug sitzen, halb Ich, halb theatralische Figur. Tunnels zergliedern jede Strecke in dunkle Abschnitte, in denen Figuren gerne verschwinden oder ein bislang unauffällig geführtes Gespräches plötzlich annulliert wird. Und der scheinbar gewöhnliche Schi-Ort St. Anton wird zu einer skurrilen Begräbnisstätte, worin vertriebene ungarische Juden ein unerklärliches Treffen abhalten und zu diesem Zweck eine ganze Zugsgarnitur bevölkern.

In einem so genannten Erzählkoffer, den ein Passagier stehen lässt, ehe er verschwindet, sind tatsächlich Partikel für eine Erzählung drin. Manchmal bleiben Kleidungsstücke eines Verschollenen im Abteil zurück, während der Schaffner bloß die Achseln zuckt und meint, diese könnten von einem Mann aus der Innsbrucker Anichstraße stammen. Ein konkreter Fahrkartenwunsch "ins Land der Stille, einfach" (59) kann jeden noch so geschulten Bediensteten aus dem Häuschen bringen.

In Heinz D. Heisls Geschichten geht es um das Unerklärliche, warum wir alle unterwegs sind und dennoch nie richtig ankommen. Personen, Gerätschaften und Abläufe sind zwar dem alltäglichen Eisenbahnwesen entnommen, verweisen aber Satz für Satz auf etwas Metaphysisches. Der pädagogisch ironische Singsang eines Peter Bichsel schwingt manchmal mit, und die kunstvolle Umständlichkeit im Stile von Robert Walser macht immer wieder klar, dass die besten Züge immer noch in der Schweiz unterwegs sind.

Heinz D. Heisl: wohin ich schon immer einmal wollte. Eisenbahngeschichten.
Innsbruck: Haymon 2005. 139 Seiten. EUR 18,90. ISBN 3-85218-487-8.

 

Helmuth Schönauer, 19-09-2005

Bibliographie

AutorIn

Heinz D. Heisl

Buchtitel

Wohin ich schon immer einmal wollte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

139

Preis in EUR

EUR 18,90

ISBN

3-85218-487-8

Kurzbiographie AutorIn

Heinz D. Heisl, geb. 1952 in Innsbruck, lebt in Innsbruck und Zürich.