Peter Plattner, Von Grün und anderen Touristen
Die griffigste Sehnsucht entsteht durch eine einfache Landkarte, worauf magisch-reale Orte wie vergrabene Schätze verzeichnet sind. In Peter Plattners Reiseroman vom „Grün“ ist eine solche Sehnsuchtskarte im Vorspann eingelegt.
Die Karte zeigt in Abenteuer-Manier einen Ausriss aus Südamerika, in Kolumbien ist etwa Bahia Solana eingezeichnet, in Venezuela Ciudad Bolivar, in Bolivien Potosi. Zwischen den Orten wuchern Gebirge, wilde Wasser und Dschungel, Dschungel, Dschungel.
Der Reiseroman ist als Ich-Erzählung angelegt, ein konkretes, „Autor-nahes“ Ich macht sich auf die Suche nach unbekannten Dingen, wie man eben als Leser oft liest und liest und sich treiben lässt. Der Titel legt bereits eine wichtige Spur: vom Dschungel bleibt letztlich nichts anderes übrig als die Farbe grün, darin eingeschlossen sind tausende Pfade, worauf sich Touristen wie Ameisen auf der Suche nach dem Grün begegnen.
So erzählt Peter Plattners Roman fast gleichzeitig von drei Dingen: Von der Hinterseite jener Länder, die wir entweder aus paradiesischen Reiseprospekten oder als blutige Kriegsberichterstattung aus den Nachrichten kennen, vom Handwerk des Reisens mit seinen touristischen Ritualen, Knotenpunkten und Absteigen, und vom suchenden Ich, das sich allmählich völlig unaufgeregt im Dschungel auflöst und sich nur schmerzhaft wieder in die so genannte Zivilisation zurückschleppen kann.
Unter den Lebensphilosophien gilt der Pilger, der letztlich auf dem Weg zu sich selbst ist, als eine der hilfreichsten Gestalten, mit dem Leben halbwegs sinnvoll und unterhaltsam zurecht zu kommen. Im „Grün“-Roman wimmelt es nur so von skurrilen Figuren, die einander das Leben oft nur mit einem einzigen Satz erzählen, während sie ordentlich trinken und die Gegenwart mit der Grünverschiebung des leichten Suffs verzieren.
In diesem seltsam erschöpften Licht, das Reisende umfängt, wenn sie eine heftige Strecke hinter sich gebracht haben, werden soziale Ungerechtigkeiten grell sichtbar, der Reisende wird für kurze Zeit Mitglied dieses auswuchernden Kontinents, und Absatzweise werden die aufgesuchten Orte nicht nur beschreibbar, der Erzähler ist fallweise sogar ein glaubwürdiger Teil dieser aufgesuchten Welt.
Für uns Leser ist in diesem Roman alles vorhanden, was wir während der Reiseplanungen zu uns selbst suchen: Entbehrungen, Üppigkeit, leichter Sud, seltsame Orte, Dschungel, Abenteuer, Aufklärung und Zeitlosigkeit. Mit einem Wort: Das Grüne!
Peter Plattner, Von Grün und anderen Touristen. Reiseroman.
Innsbruck: Gerst Verlag l 2006. 246 Seiten. EUR 11,40. ISBN 3-902506-10-5.
Helmuth Schönauer, 19-04-2006