Elias Schneitter, Zu guter Letzt

Buch-CoverDie wahren Geschichten krabbeln heimlich und geduckt durch die glatt polierte Gesellschaft wie die sprichwörtlichen Kakerlaken durch die Küche.

Wer am Rande der Gesellschaft steht, muss deshalb nicht gescheitert sein, lautet so eine Erkenntnis des literarischen „Arme-Leute-Anwaltes“ Elias Schneitter. In seinen jüngsten Erzählungen geht es folglich um Helden, die sich verrückt geduldig mit den Ungereimtheiten des Lebensstroms auseinandersetzen müssen.

Nichts ist wahrscheinlich so subjektiv wie Lärm, den jeder Mensch individuell aufregend und aufreizend empfindet. In der „Lärm“-Erzählung wird einmal die Geschichte einer Frau erzählt, die in einer Wohnanlage verrückt geworden ist und sich schließlich umbringt. Die Verstörung wird dabei zum inneren Lärm, Kinder pumpern an die Tür, das Getratsche wird unerträglich lärmig, und selbst aus dem Keller gestohlene Kartoffeln entwickeln durch ihre Leere einen gewissen Psycho-Lärm.

Dabei hat die Frau ein Leben lang nur geputzt, was in der Arbeitswelt für Frauen durchaus bedeuten kann, dass man sich zwischen den Beinen der Arbeitgeber aufhalten muss. (22) Eingekesselt ist diese Geschichte von der Gegendarstellung einer Hausbewohnerin, die letztlich bedauert, dass die tragische Heldin das Leben nicht auf die Reihe bekommen hat, aber so ist das eben, die eine kriegt das mit dem Lärm hin, eine andere nicht.

Putzfrauen heißt die Erzählung, in der ein wenig vom auslagern und ausputzen der Belegschaft die Rede ist. Die Putzfrauen im alten Sinn gibt es nicht mehr, heutzutage wird die Reinigung zugekauft. Und von einer guten Vorstandssitzung spricht man dann, wenn der Reinigungspunkt clean von der Tagesordnung gefallen ist.

Der tragikomische Held der „Doppelbilder“ ist sich ein Leben lang nicht sicher, ob er sich nicht doch besser schon vor Jahrzehnten hätte operieren lassen sollen. Das heißt, er ist ja als Kind an den Augen operiert und verhunzt worden, seither sieht er alles doppelt, was auch gewisse Vorteile hat. Als Fußballer etwa ist der Doppelsichtige unübertrefflich, was die Beobachtung der Gegenspieler betrifft, er sieht einfach alles und kann daher jedem geheimen Faul von hinten entgehen und dafür geniale Pässe in die Seite treten. Freilich ist der Held als Schriftsteller etwas im Nachteil, weil er beim Lesen und Schreiben naturgemäß alles doppelt sieht, andererseits erspart er sich dadurch wieder jede Menge Alkohol und hält sich an kurze Geschichten, die ja ohnehin heutzutage im Trend liegen.

Viele Jahre später ist eine positive Abrechnung mit der verhängnisvollen Geschichte. Nachfahren jener Familie, die in den Hungerjahren vor, mitten und nach dem Krieg gerettet worden sind, bedanken sich nach Jahrzehnten bei den ehemaligen Lebensrettern.

„Zu guter Letzt“ ist eine berüchtigte Formel in der Literatur. Wenn etwas schon ausweglos daneben ist, kommt noch ein kleines Ungemach drauf, eben zu guter Letzt. Aus heiterem Himmel verliebt sich eine Frau in einen Arzt, der seinerseits diese Liebe vor dessen Frau klein halten muss. Die Liebe fährt heftig in die Beine und macht diese dünn, stark und sportlich, so steht die Erotik auf soliden Beinen. Aber im Alltag helfen diese schönen Beine nur, dass die Frau in die Küche kommt und dem Mann etwas kocht.

Wie so oft bei Elias Schneitter gehen diese Geschichten zuerst ganz flutschig in die Leseseele ein, entfalten aber nach der Lektüre riesige Widerhaken und nisten sich dadurch heftigst in den Schleimhäuten des Lesemagens ein. Gerade diese leichte Kost fordert jedoch die intellektuellen Verdauungssäfte ordentlich heraus.

Elias Schneitter, Zu guter Letzt. Erzählungen.
Innsbruck: Kyrene 2006. 75 Seiten. EUR 8,20. ISBN 3-900009-30-9.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag: Bücher
Homepage: Elias Schneitter

 

Helmuth Schönauer, 15-05-2006

Bibliographie

AutorIn

Elias Schneitter

Buchtitel

Zu guter Letzt

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

75

Preis in EUR

EUR 8,20

ISBN

3-900009-30-9

Kurzbiographie AutorIn

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Zirl.