Martin Kolozs, Boshaft
Das literarische Bermudadreieck für para-normale Fiktion ist irgendwo zwischen Edgar Allen Poe (Die Sphinx), Andre Gide (Die Verliese des Vatikan) und Ray Bradbury (Fahrenheit 451) angesiedelt.
Martin Kolozs verortet seinen Exorzisten-Thriller „Boshaft“ in versteckten Zirkeln in Rom, Polen und im Vatikan. Der Titel Boshaft ist einerseits eine Abmilderung des Bösen, boshaft ist wahrscheinlich eine eingeschlagene Richtung, die später einmal direkt zum Bösen führt. Andererseits ist es eine Art forensischer Beschreibungsversuch, etwas Ungeklärtes als vage Devianz von einem Regularium zu deuten.
Ein Krimi braucht ein einmaliges Ereignis, das ihn nach der Lektüre unvergessen macht. Wenn auf einem ländlichen Polizeiposten der ermittelnde Beamte „autosexuell“ ist, wird man diese Eigenschaft nie vergessen, zumal sich jeder etwas anderes darunter vorstellt.
Krimi ist als Genre und Gesellschaftstreiben die am häufigsten verwendete Kategorie, um sich purem Vergnügen oder Verbrechen hinzugeben. – Die literarische Sorte Krimi spendet unter Garantie einen Roman mit Handlung, der wegen seiner klugen Gliederung ein ständiges Absetzen und Wiederaufnehmen von Lektüre ermöglicht.
Der Dichter ist in die Berge abgehauen und gilt als verschollen, das Publikum ist ungeduldig, es hat zwei Bücher über schwere Helden-Entgleisung gelesen und will wissen, wie die Geschichte zu Ende geht. Die Heldin „Blumberg 3“ sitzt in der Psychiatrie und und bietet in hellen Momenten an, ihr kriminelles Leben fertig zu erzählen. – Eine ideale Ausgangsposition für einen Roman, als ein Verleger den erlösenden Schreibauftrag vergibt, um endlich alle von der Last der nicht-erzählten Geschichte zu erlösen.
Die Genres „Krimi“ und „Provinzi“ gehen auf das gleiche Grundelement zurück. Sowohl der Kriminalroman als auch der Provinzroman sind als unendliche Geschichte angelegt, die bis zu einem Dutzend an Fällen oder Episoden verkraftet, ohne dass sich was ändert.
Für das große Tourismus-Spiel werden überall auf der Welt Revolutionen eingefroren wie Dornröschen und später in kleinen Dosen von flanierenden Touristen wachgeküsst. Politik und Konsum leben von Bildern im Netz, die uns Tag und Nacht Ausschau halten lassen, ob wir uns mit passenden Selfies mit irgendwelchen Ikonen dazugesellen könnten.
Ein aufregender Roman stützt sich durchaus auf einen großen Gestus, mit dem er in der Hand gehalten wird. Manche Romane sind geradezu für das Lesen „on the road“ geschaffen, man denke nur an die fetten Narko-Thriller aus weichem Papier, die von einer Hand mühselig gehalten werden, während die andere versucht, mit fünf Fingern einen Joint zu drehen.
„Wir leben hier. In diesem Tal. Wir sind ebenfalls keine Idioten. Und wir langweilen uns nicht. ‒ Manchmal vielleicht ein kleines bisschen.“ (120) Diese Beschreibung eines entlegenen Landstrichs von Amerika ist vielleicht das genaue Gegenteil von Tirol und heizt dadurch unsere Sehnsucht an.
Wenn der Titel eines Romans grotesk-witzig genug ist, musst du dein Leben unterbrechen und darin zu lesen beginnen. „Bin-a-Bichl“ ist sprachlich gleich gestaltet wie das häufig verwendete „Bin-a-Trottl“, womit gesagt ist: Endlich einmal beginnt ein geographischer Haufen aus sich heraus zu sprechen!
Ein Literatur-Genre ist für den Leser nur zweimal interessant: einmal, wenn es erfunden wird, und ein andermal, wenn es beendet wird. Dazwischen liegt Massenware, die der kluge Leser beiseite lässt, um das Leben nicht mit finsteren Wetterlagen im Kopf zu belasten.