Das literarische Bermudadreieck für para-normale Fiktion ist irgendwo zwischen Edgar Allen Poe (Die Sphinx), Andre Gide (Die Verliese des Vatikan) und Ray Bradbury (Fahrenheit 451) angesiedelt.
Martin Kolozs verortet seinen Exorzisten-Thriller „Boshaft“ in versteckten Zirkeln in Rom, Polen und im Vatikan. Der Titel Boshaft ist einerseits eine Abmilderung des Bösen, boshaft ist wahrscheinlich eine eingeschlagene Richtung, die später einmal direkt zum Bösen führt. Andererseits ist es eine Art forensischer Beschreibungsversuch, etwas Ungeklärtes als vage Devianz von einem Regularium zu deuten.
Die exorzistischen Fälle haben daher einen kriminalistischen und einen theologischen Zugang. Beides sind Künste, die man trotz aufwändiger Studien nicht immer zur Zufriedenheit anwenden kann.
Im Roman „Boshaft“ wird Rätselhaftes anhand des deutschen Priesters Thomas Kessler aufgezeigt, der vorerst als Urlaubsvertretung in einer Kirche in Rom auftritt, bis er bald als Fachkraft für Exorzismus herangezogen wird.
Im ersten Teil ist er zu einer Séance eingeladen, auf der ein sogenannter Verschwundener erscheint, was den Eingeladenen in tiefe Bewusstlosigkeit stürzt. Als er aufwacht, ist die Gattin des Verschwundenen ermordet, der Kommissar mit mysteriösen Indizien verunsichert, und Thomas mit seinem Latein verzweifelt am Ende. Er sei von K.O.-Tropfen niedergestreckt worden und Teil eines Komplotts, behauptet er. Zwischen Glauben und Nichtwissen versuchen Kommissar und Priester forensische Beweisketten zu legen, geben aber zu, dass es keine endgültige Wahrheit gibt.
Da der Fall für das Geistesleben der Kirche-Szene eine offene Wunde bleibt, schickt der zuständige Kardinal aus dem Hintergrund heraus Thomas Kessler in die polnische Tatra, wo Nonnen in ihrem Kloster Teufelsaustreibungen versuchen. Der Exorzist in spe findet sich gehorsam ein, lässt sich die Geschichte des Klosters und seiner Heimsuchungen durch den Teufel erklären und staunt über die Kasteiungen, denen sich die Nonnen teils nackt und teuflisch erregt unterwerfen.
Auch hier verliert er wieder das Bewusstsein und wird offensichtlich niedergeschlagen. Wieder bei Sinnen ist das Kloster abgebrannt und der Spuk durch diverse Gebete gebändigt.
Im dritten Teil gerät Thomas selbst in die Mühlen des Exorzismus. Er wird zu zwei toten philippinischen Priestern gerufen, die beim Erlernen des Exorzisten-Handwerks ums Leben gekommen sind. Eine für wahnsinnig erachtete Frau steht als mögliche Mörderin bereit. Wieder kommt er mit dem Kommissar übers Kreuz, welche Methode die bessere sei, solche Fälle aufzuklären, die kriminaltechnischen oder die katholisch-rituelle.
Eine Art Vorstufe der Aufklärung bietet schließlich der Kardinal selbst an. Er gibt zu, den Exorzismus zu pflegen und mit ihm zu spielen. Kommissar und Thomas sind nur Werkzeuge in diesem Spiel, das die Kirche seit Jahrhunderten in allen Sprachen und Ländern der Welt aufführt. Ehe das Urteil der Leser fallen kann, wird der Kardinal aus dem Roman abgezogen.
Martin Kolozs erzählt mit klug verklapptem Visier, er gibt katholisch gebildeten Lesern genauso eine Chance, Vergnügen und Diskurs zu finden, wie den Laien, die ungehemmt auf Erzähltechnik und Plot-Fun aus sind.
In der Literatur ist das Werkzeug des Teufels selbstverständlich die Sprache. Je mehrdeutiger die Worte ausgelegt sind, umso leichteres Spiel hat das Böse, das letztlich eine Verstellung der Wahrheit ist. (Man denke nur an die „bösen“ Fake-News.) Der Teufel spricht außerdem wie die Kirche alle Sprachen, weshalb der Text ständig mit italienischen und polnischen Alltagsfloskeln durchtränkt ist, die durchaus als Beschwörungsformeln gelesen werden können.
Der Roman Boshaft ist ein eigenständiges, abgeschlossenes Werk, das für sich genommen schon Lesefreude für einen ganzen Leseakt bereitet. Wer sich vertieft mit der Figur des Thomas Kessler beschäftigen will, der ja der geborene „ungläubige Thomas“ ist, sei auf die bereits erschienenen drei Romane gleicher Ausstattung verwiesen.
Das Dibbuk-Experiment, 2019 | In Menschengestalt, 2020 | Böser Geist, 2022. – Ein Abschlussband wird die Pentalogie vom ungläubigen Thomas demnächst abschließen.
Martin Kolozs, Boshaft. Roman
Wien: Text/Rahmen Verlag 2025, 206 Seiten, 16,00 €, ISBN 978-3-903365-26-1
Weiterführende Links:
Text/Rahmen Verlag: Martin Kolozs, Boshaft
Wikipedia: Martin Kolozs
Helmuth Schönauer, 01-05-2025