Ein Krimi braucht ein einmaliges Ereignis, das ihn nach der Lektüre unvergessen macht. Wenn auf einem ländlichen Polizeiposten der ermittelnde Beamte „autosexuell“ ist, wird man diese Eigenschaft nie vergessen, zumal sich jeder etwas anderes darunter vorstellt.
Dietmar Füssel ist bekannt für seinen grotesken Ansatz, die Welt zu betrachten. Seine Helden tauchen dort auf, wo man sie nicht erwartet, also meist in der konturlosen Arbeitswelt. So dient ihm das Genre Krimi vor allem dazu, den zähen Beruf von Beamteten am flachen Land zu durchforsten. Autosexualität ist also als eine Art unauffälliges Überlebenstraining zu verstehen.
Aber nicht nur die Polizei leidet hochgerechnet auf die Lebenszeit an Ereignislosigkeit, auch Dorf, Landschaft, ja die Lage überhaupt, tun es.
Im Krimi „Mord und Brand im Mondseeland“ wird folglich ein Fall behandelt, der wohl als Inszenierung angesehen werden muss, sein Plot springt dementsprechend schroff ins Auge.
Im Grenzgebiet zwischen Salzburg und Oberösterreich hat das Bundesheer eine bedeutende Radarstation stehen. Um von dieser abzulenken, werden schon seit Jahrzehnten die Touristen auf den benachbarten Kolomansberg verwiesen, auf dem das älteste Holzkirchlein Österreichs steht.
Dieses Denkmal ist offensichtlich über Nacht abgebrannt, nicht genug damit, es wird auch noch eine Leiche samt rätselhafter Botschaft darin gefunden.
Polizist Hoss bereitet sich gerade für den trivialen Alltagsdienst am lokalen Posten vor, da wird ihm der Fall übertragen und auch schon wieder weggenommen. Noch ehe die ersten Spuren gesichert sind, kommt eine Polizistin aus Linz und übernimmt.
Zwischen dem lokalen Hoss, der offensichtlich strafversetzt ist, und der Aufsteigerin Silvia Petutschnig kommt es zu einer Flash-Begegnung. Beide kennen sich noch von früher und wissen bei ihrem Aufeinandertreffen in der Mondsee-Gegend, dass ihr Leben gelaufen ist.
Während sie tagsüber den Fall zusammenbauen für die Kriminalstatistik, gehen sie am Abend noch einmal richtig aus, legen einander das unauffällige Leben zur Begutachtung vor und setzen pro forma einen pseudoerotischen Zug aufeinander zu. Aber Hoss hat seine Lektion vom Leben gelernt und macht auf „autosexuell“, was auch die Partnerin von der Stadt überzeugt. – Der Fall bleibt in sich selbst hängen, sodass sich das Duo wieder trennt.
Die Geschichte kreist schließlich um kaputte Karrieren, ein Flüchtlingslager im Nachbardorf, um Vorurteile und merkwürdige Rituale und löst sich schließlich verblüffend logisch auf.
Das Ende darf nicht verraten werden, denn die Spannung ist auch bei einem unscheinbaren Fall kaputt, wenn die Lösung zu Früh ans Tageslicht kommt.
Im Vordergrund des Romans steht freilich die Halbzeitbilanz eines unauffälligen Lebens. Alles verläuft geordnet, die großen Ziele haben sich alle abgeschminkt. Denn nicht nur das dienstliche Ermittlerpaar zieht eine ernüchternde Bilanz, was den Sinn des Lebens betrifft, auch die Verdächtigen, Geschmierten und Überredeten im Vorfeld des Mordfalls agieren letztlich verblendet sinnlos. Eine Gruppe inszeniert sich mit religiösen Motiven am Kirchlein, eine andere versucht, zusammen mit der Migrationsthematik einen Religionskampf zu entfachen, und eine Jugendgruppe probiert es mit einem handfesten Satanskult, wie er im Netz herumgeistert.
Dar wahre Grund für Handeln ist immer wirtschaftlicher Art. Um etwa den Tourismus in der Gegend anzukurbeln, überschreiten manche ihre letzten Hemmschwellen. So führt der Krimi über „Mord und Brand im Mondseerland“ die Protagonisten an jene Grenzen, an denen das Groteske zur obersten Maxime wird. Wo immer Tourismus über dem Land ausgeschüttet wird, suchen seine Akteure nach den Selfies und Nuggets dieses flächendeckenden Tagbaus. Wer für ein Selfie kriminell wird, wird es auch bei der Aussicht für Prosperität in den Nächtigungszahlen.
Ein paar Einheimische freilich entgleiten dieser potentiell kriminellen Masse, indem sie sich in einem Tanzclub widerborstig selbst organisieren und in Ekstase ausbrechen.
Dietmar Füssel hat der Gegend rund um den Mondsee eine tolle Würdigung geschenkt, die alle Bedingungen für einen humorvollen Regionalkrimi erfüllt, inklusive der Beschreibung der Sehenswürdigkeiten im An- und Abspann.
Dazwischen ist gut Platz geblieben für Helden, die wie das Publikum die meiste Zeit wissen, dass das Leben gelaufen ist. Aber es macht immer noch Vergnügen, wenn man große Ziele beiseite lässt.
Dietmar Füssel, Mord und Brand im Mondseeland. Ein Lokalkrimi aus Mondsee, Kriminalroman
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2025, 198 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3-903125-94-0
Weiterführender Link:
Sisyphus Verlag: Dietmar Füssel, Mord und Brand im Mondseeland
Wikipedia: Dietmar Füssel
Helmuth Schönauer, 14-03-2025