Kriminalroman

Giancarlo De Cataldo, Der König von Rom

h.schoenauer - 02.09.2013

Große Kulturen entwickeln auch immer eine eigene politische Kultur. Italien ist einerseits eine sehr junge Demokratie, andererseits eine sehr dynamische, oft ins Extrem gehende.

Der Schriftsteller und Richter Giancarlo De Cataldo hat aus Gründen der politischen Hygiene eine eigene Erzählgattung entwickelt: Den Italo-Thriller der politischen Art.

Wolfgang Popp, Ich müsste lügen

h.schoenauer - 20.06.2013

Wenn man sich vor Augen hält, wie oft jemand am Tag lügt, kann man davon ausgehen, dass die Floskel „Ich müsste lügen“ eine Leerformel ist.

Mit diesem Geräusch der Wahrheit hat es in Wolfgang Popps Roman jedenfalls die Ermittlerin Eva Rauch zu tun, sie soll einen verschwundenen jungen Lebenskünstler namens Schall ausfindig machen, eine Mission zwischen Schall und Rauch gewissermaßen. Im Mittelpunkt steht der Bestsellerautor Will, der einerseits durch seine Romane neue gesellschaftliche Wirklichkeiten schafft, andererseits seine Texte nach Fallstudien verfasst.

Sepp Kahn, In Ewigkeit Amen

h.schoenauer - 11.06.2013

Die Beschwörungsformel „In-Ewigkeit-Amen“ wird bei der alpinen Bevölkerung bis zur Unkenntlichkeit verschluckt und entstellt, wenn sie bei Begräbnissen, Toten-Rosenkränzen oder Allerseelengängen in die rurale Luft der Fassungslosigkeit gehaucht wird.

Im Allerweltsdorf Unterhirschen ist die Zeit so unauffällig unterwegs, dass sie kaum jemand mehr bemerkt und darin verdrossen selbstverständlich sein eigenes Leben installiert.

Dietmar Wachter, Das Mädchen mit der Puppe. Inspektor Matteo ermittelt

h.schoenauer - 02.05.2013

In guten Krimis ist zwar der jeweilige Fall aufregend und stechfrisch wie junges Gemüse, getragen werden diese Fälle aber von der Verlässlichkeit der aufklärenden Persönlichkeiten, die mit ihrer Individualität jedes noch so freche Verbrechen in die Schranken verweisen.

Dietmar Wachter lässt nun schon zum dritten Mal den Inspektor Matteo Steininger in der lieblichen Kleinstadt Landstein in Tirol auftreten. Dieser sitzt in Erwartungshaltung in der Kanzlei, wie er seine Dienststelle hochachtungsvoll nennt, und spielt mit einem hydraulischen Bürosessel herum. Zwischendurch räumt er die Utensilien aus den früheren Fällen „Der Holzfischer“ und „Das Zingulum“ in die Asservatenkammer in den Keller.

Silvia Flür-Vonstadl, Mörderisches Tirol

h.schoenauer - 22.03.2013

TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 1486


Im allgemeinen Gebrauch bedeutet „mörderisch“ neben dem tödlichen Aspekt auch eine zustimmende Übertreibung eines Sachverhaltes. So kann etwa ein Menü mörderisch gut sein, ein Politiker eine mörderische Aussage hinlegen oder ein Rennläufer eine mörderische Abfahrt hinunter flitzen.

Für Silvia Flür-Vonstadl ist das mörderische Tirol beides, ein Land, in dem sich gut Morde platzieren lassen und ein Land, das irgendwie mörderisch aufregend ist. Der Krimi-Band wird von einer langen Stammgeschichte dominiert, der sieben kleinere Erzählungen beigestellt sind.

Egyd Gstättner, Ein Endsommernachtsalbtraum

h.schoenauer - 09.01.2013

Der Begriff Kriminalroman gilt in literarischen Kreisen oft als Bedrohung der literarischen Intelligenz. Wenn allerdings eine Story mehr als ein Kriminalroman ist, kann man sich auf allerhand Hyper-Fiktion gefasst machen.

Egyd Gstättner liefert mit seinem Endsommernachtsalbtraum ein Sittenbild eines verrückt gewordenen Bundeslandes ab, das sich in Ermangelung jeglichen Inhalts selbst als Hallodrien bezeichnet. In diesem Land genügt es „Hallo“ zu sagen, und man ist schon jemand.

Brigitte Jaufenthaler, Diva & Angelo

h.schoenauer - 07.12.2012

Ein Krimi kann offensichtlich in jedem Milieu spielen, weil es in jedem Milieu Abweichungen von der Moral gibt. Die provinzielle Universität Innsbruck, eingekreist von akademischen Ritualen, ist natürlich ein ideales Terrain zum Abwickeln eines Krimis mit Kleingeistern als Helden.

Brigitte Jaufenthaler lässt im Studentenmilieu recherchieren. Vinzenz, der Mini-Dozent, und Theresia, die musische Studentin, treffen an einer Bar aufeinander und beginnen akademisch verbrämt ein lustvolles Geschlechtsverhältnis. Jetzt kann man mit alpin-trivialen Namen natürlich keinen Recherche-Baum ausreißen, weshalb sich die beiden Diva und Angelo nennen.

Nanni Balestrini, Sandokan

h.schoenauer - 11.09.2012

Wie kann man einen sozialen Sumpf erzählen, ohne dass man als Leser darin rettungslos verlorengeht? - Nanni Balestrini hat für seine Camorra-Geschichte die Methode der Atemlosigkeit gewählt.

Rein äußerlich tut sich eine Kriminalgeschichte auf, der Camorra-Pate Sandokan wird gleich zu Beginn eingekesselt und verhaftet, aber der Ich-Erzähler wird durch diese Aktion in einen Bottich von sozio-historischen Schlingpflanzen geworfen, dass er Mühe hat, etwas Ordnung in die Wahrnehmung zu kriegen.

William C. Gordon, Missgeburt

h.schoenauer - 16.01.2012

Buch-Cover

Mittlerweile ist der Krimi-Markt knallvoll, so dass die Verlage immer absurdere Werbestrategien fahren und Klappentexte schreiben müssen, um die Spannung des jeweiligen Werkes im Publikum zu installieren.

William Gordons literarische Leistung besteht auf den ersten Blick darin, der Mann der Erfolgsautorin Isabel Allende zu sein. Auf den zweiten Blick hat er sich mit der Figur des San- Francisco-Redakteurs Samuel Hamilton in die Herzen des Retro-Krimi-Publikums geschrieben und im dritten Ansatz zieht er als Schwarz-Weiß-Anhänger gerade noch rechtzeitig seinen Schreiber-Kopf aus der Klischee-Schlinge.

Beppo Beyerl, Die alten Leiden der Frau Hermi

h.schoenauer - 03.01.2012

Buch-Cover

Wenn man die wahre Kultur einer Gesellschaft entdecken will, muss man zu ihren Bewohnern hautnah in die Wohnung kriechen.

Beppo Beyerl fühlt in seiner Erzählung ?Die alten Leiden der Frau Hermi einer gewissen österreichischen Durchschnittsstimmung auf den Zahn. Die Frau Hermi im Wiener Gemeindebau ist vollgestopft mit Vorurteilen, die sie offensichtlich regelmäßig aus der Krone nachschürt. Da ihr Leben aus Leiden besteht, ist sie auf die Mithilfe anderer Menschen angewiesen. Sinnigerweise kommen diese Helferinnen und Helfer meist aus einer anderen Kultur, so dass Hermi quasi täglich eine Ausnahme von ihren Vorurteilen machen muss, um diese fremde Hilfe zu ertragen.