Tiroler Gegenwartsliteratur

Norman T. Grant, Das Tödlein und das Mädchen mit den roten Haaren

h.schoenauer - 11.10.2012

In guten Mundarten laufen die Verkleinerungsformen von Tod und Todel (Trottel) fließend in einander über. Wenn also das Tödlein grinsend mit dem Mädchen mit den roten Haaren hinter einem Stück Wäsche hervor lugt, haben wir es mit einem fröhlichen Buch zu tun.

Für die existentielle Fröhlichkeit garantieren der Texter Norman T. Grant, der aus dem kleinen Nest Danville nie weggekommen ist in der Hoffnung, dass ihn der Tod in diesem Nest nicht findet, und der farbfröhliche Christian Yeti, der aus seinem Geburtskaff Oberletzen weggezogen ist, weil alles andere den Tod bedeutet hätte.

Selma Mahlknecht, Vom großen Ganzen

h.schoenauer - 02.10.2012

Philosophische Maßeinheiten sind bekanntlich immer von der Situation abhängig. Und schon Adalbert Stifter hat im Sanften Gesetz das sogenannte Große von hinten her, von der Stille und Überschaubarkeit her aufgezäumt.

Selma Mahlknecht geht in sieben Erzählungen der Unverhältnismäßigkeit von Größe und Wirkung nach.

Chris Moser, Die Kunst Widerstand zu leisten

h.schoenauer - 25.09.2012

Auf den ersten Blick ist es vielleicht verwunderlich, wenn ein Tatsachenbericht als das wahrscheinlich erschütterndste Buch empfunden wird, das in den letzten fünf Jahren in Tirol erschienen ist.

Wenn man sich allerdings den Zusammenhang zwischen öffentlicher Herrschaft und individuellem Schicksal vor Augen hält, so kann dieser Bericht es phasenweise mit einem skurrilen Roman aus Tschetschenien oder Libyen aufnehmen. Dabei „spielt“ alles vor unserer Haustüre zwischen Wildschönau, Innsbruck und Wiener Neustadt.

Ruth Weiss, A parallel planet of people and places

h.schoenauer - 22.09.2012

Beat-Lyrik kümmert sich nicht nur um die Geschlagenen und Verdroschenen, sie schaut auch im Schriftbild oft zerknittert, mehrphasig und unvollkommen aus.

Im anspruchsvollen Würdigungsband für Ruth Weiss werden daher die Texte im Faksimile dargeboten, ehe es eine Übersetzung von Jürgen Schneider gibt.

Raoul Schrott, Das schweigende Kind

h.schoenauer - 06.09.2012

Eine ordentliche Lebenskrise hat die Kraft, ganze Jahrgänge stumm zu machen. In Raoul Schrotts Erzählung „Das schweigende Kind“ macht ein beichtender Maler eine formidable Krise durch. Äußerlich ist soeben jene Katastrophe eingetreten, die sich vielleicht innerlich schon über Jahre angestaut hat.

Der Erzähler identifiziert in einem Krankenhaus eine Frau, die die Mutter seines Kindes ist. Offensichtlich ist sie erstickt, vielleicht sogar erwürgt worden.

Otto Licha, Kripp

h.schoenauer - 04.09.2012

Manchmal sucht sich die regionale Zeitgeschichte eine Lichtgestalt, um an ihr ein Stück Gegenwart abzuhandeln.

Otto Licha greift in seiner Doku-fiktionalen Schilderung der späten sechziger und frühen siebzieger Jahre in Innsbruck auf die legendäre Figur Kripp zurück, „Kripp und klar“, wie die Parole aus der damaligen Zeit lautete.

Elias Schneitter, What‘s nude?

h.schoenauer - 02.09.2012

Wenn Menschen der Gegenwart aktuelle Nachrichten empfangen, wischen sie gerne mit den Zwicke-Gliedmaßen Daumen und Finger über die glatte Fläche des Smartphones, um dann eine Portion Glück unter der Glätte des Displays zu empfangen.

Ähnliches Glück verspricht die sogenannte Handpresse. Darin werden in exquisiter Technik sorgsam ausgewählte Texte für ein erlauchtes Publikum aufbereitet.

Hans Platzgumer, Trans-Maghreb

h.schoenauer - 30.08.2012

Eine Novelle muss uns eine unerhörte Begebenheit nahebringen, die uns vielleicht sogar nahe geht.

Hans Platzgumer stellt mit seiner Novelle vom Bauträger Anton Corwald vielleicht eine neue Gattung vor, nämlich die literarische Nachbearbeitung einer internationalen Nachricht. Zu diesem Zweck installiert er eine so genannte Rahmenhandlung, die darin besteht, dass der Ich-Erzähler, ein 38-jähriger Bauingenieur, sich zu Hause in Wien mit jeder Menge Ottakringer ansäuft und auf seine Mama wartet, dass sie ihm die Wohnung putzt.

Herbert Rosendorfer, Huturm

h.schoenauer - 28.08.2012

Was gibt es Wuchtigeres als einen Stammbaum, dessen Verwurzelungen sich über Jahrhunderte in das Gestein der Geschichte hineinzwängen und diese manchmal sprengen!

In Herbert Rosendorfers Roman aus den Tiefen der Provinz kommen gleich zwei fulminante Stammbäume zum Tragen. Auf der Vorderseite des Buches ist die Sippschaft des niedergehenden Fürstentums Feldenwerth-Tragans aufgepinselt, im Hinterteil die Hotel-Sippschaft der aufstrebenden Guggemots. Beide Zweige kreuzen sich im Laufe der Zeit mehrmals und lassen dabei nie ihren Sinn aus dem Auge, die fürstliche Dynastie zelebriert den Niedergang, die handwerkliche den scheinbaren Aufstieg.

Carolina Schutti, Einmal muss ich über weiches Gras gelaufen sein

h.schoenauer - 26.08.2012

Erst wenn man sich auf die Suche nach seiner verdeckten Herkunft gemacht hat, kann man mit dem Leben beginnen.

In Carolina Schuttis Roman geht die junge Frau Maja ihren eigenen Herkunftsspuren nach. Sie ist offensichtlich einst durch widrige historische Umstände in einem kleinen Dorf „gelandet“, die erste Bezugsperson ist eine sogenannte Tante, die sie in die wichtigsten Handgriffe des einfachen Lebens einführt.