Was sich wie eine cineastische Dokumentation aus einem romantischen Gewässer anhört, ist tatsächlich nur eine von Hunderten poetischen Begegnungen, die im schrägen Sekundentakt auf den Leser einprasseln. Wolfgang Bleier nennt seine Ode an den Alltagsablauf der etwas anderen Art sehr sinnlich „Fischfang bei aufgehender Sonne“.

Was im Titel noch nach einer den Sinnen zuordenbaren Situation entspricht, ufert von der ersten bis zur letzten Seite aus in ein Empfindungswerk der dynamischen Art. Beinahe wie im absurden Theater geht eine schizophrene Szene in die nächste über, steht im einen Satz das Gegenteil des anderen, reden Figuren hauptsächlich in sich hinein, und was als öffentliche Botschaft in den Raum gestellt wird, entpuppt sich immer wieder als hohle Plakatwand.

Wenn die richtigen Typen zusammenkommen, entsteht durchaus freche Lyrik. Wenn zwergenhafte Schatzhüter (Gnomen) und Doppeltreffer im Lotto (Amben) aufeinandertreffen, kann eigentlich nur die Lyrik des Oswald Egger daraus entstehen.

Tatsächlich braucht das Lyrikwerk „Amben & Gnome“ von Oswald Egger einen beruhigenden Vorspann, ehe sich das Auge dann teilen muss, weil auf den Seiten oben immer etwas anderes gespielt wird als im Fließtext unten.

Im Poetry Slam ist zwar jeden Tag die Hölle los und man weiß nie, wie der Abend ausgeht, die Heldinnen und Helden freilich reisen meist mit einer persönlichen Lyrik-Bibel an, die sie sich selbst geschrieben haben.

Felix Römer ist zwischen den Auftritten mit handfester Lyrik unterwegs, die papierene Brücke zum Publikum ist als lyrische Kampfschrift im Umlauf. Nach längeren Episoden ist jeweils ein QR-Code abgedruckt, durch den man rasch zu den mündlichen Realisationen des eben gelesenen Textes gelangt.

Das gute lyrische Ich vermag sich zwischendurch zu materialisieren und kann dabei allerhand Gestalt annehmen. Eine besonders innige und dennoch massige Form stellt in diesem Spiel der Kiesel dar, der als Unikat und Massengut hervortreten kann.

Günter Kaip gibt dem Kiesel Auslauf in neunundneunzig Gedichten. Darin tritt der Kiesel aktiv aus den Zeilen hervor und wird zu einem Künstler, oder aber er wird passiv herumgereicht und am Ende eines Tages spürt er bloß noch ein warme Hand, die sich zurückgezogen hat.

Ähnlich der Programmmusik gibt es auch eine Programmlyrik, worin ein bestimmtes Gedankensystem lyrisch verknotet werden soll.

Bosko Tomasevic legt als Philosoph und Lyriker ausdrücklich Wert auf diese Verknüpfung. Im Nachwort zu dem Lyrikband „Risse“ distanziert er sich von früheren Werken und zählt dann seine diversen Schreibjahrzehnte auf, in denen er sich als lyrischer Kompositeur programmatisch vor allem Heidegger, Beckett oder Celan genähert hat. Die literarische Vorgangsweise bezeichnet der Autor als „Dichtung der Erfahrung“, womit das Aufzeigen gewisser Begleitumstände der Existenz gemeint sei. (130)

Gerade das scheinbar Selbstverständliche ist oft aus einer Auseinandersetzung mit würdigen und unwürdigen Argumenten hervorgegangen.

So nimmt man heutzutage die Mehrsprachigkeit Südtirols als wesentliches Merkmal des Landes, aber noch vor nicht allzu langer Zeit hat man den konsequent auf Italienisch/Deutsch schreibenden Lyriker Gerhard Kofler aufgefordert, sich gefälligst für eine Sprache zu entscheiden. Dabei ist es das Vermächtnis Gerhard Koflers, dass eine mehrfarbige Sprachfahne unverwechselbar durch die Literatur weht.

Wenn jedes zweite Buch, das erscheint, ein Thriller ist, dann muss zwischendurch die Thriller-Paste auf Laborproben gedrückt und analysiert werden.

Herbert J. Wimmer, der Meister der fiktionalen Untersuchungen mit fiktionalen Mitteln, tut sich in der Irritation „Tote im Text“ die Mühe an, aus Hunderten von Mustern einen Ur-Thriller herauszudestillieren und diesen gleich zu einem Giga-Knüller aufzublasen. Denn je größer der Fall, umso größer die Spannung, oder doch nicht.

Wenn sich Siebzehn-Silber über das Land legen, naturgemäß silbrig, denkt die lyrische Seele an dieses fernöstliche feine Netz, das dort in Gestalt von Haikus Nächtens über die Hügel gelegt wird.

Joachim Gunter Hammer steckt seinen Kosmos im steirischen Hügelland unter die magische Silbendecke und bestrahlt alles mit poetischen Partikeln, die dem Kürbis den letzten Glanz verleihen.

Was für ein schöner Widerspruch! Das für Jahrhunderte gedachte Denkmal trifft auf den filigranen Schnee, der immer zur falschen Zeit kommt.

Helwig Brunner ritzt in seinen Gedichten die Welt auf einer Widerspruchsskala auf, was eindeutig beginnt, endet in einem Fluxus an Sinn, was zufällig durch die Jahreszeit stäubt, endet als Schwall von Atmosphäre, selbst die lyrische Antimaterie kann durch geschickte Versuchsanordnung dazu gebracht werden, in einem Gedicht auszukristallisieren.

Wenn gar nichts passiert, ist es meist ein Gedicht, heißt es im Volksmund. Auf der Skala von dynamischen Prozessen nämlich ist die Lyrik ziemlich im Randbereich der Ruhe angesiedelt.

Judith Nika Pfeifer nennt ihre Texte weder Gedichte noch Lyrik, „manchmal passiert auch gar nichts“ ist mit gut dreißig Gattungsbezeichnungen ausgemalt, wovon vielleicht der Begriff Leihworte am heftigsten herausleuchtet. Leihworte sind zum einen geliehene Worte, in der Spezialausführung als Trademarke sind sie eine Hommage an den Südtiroler Performance-Lyriker Jörg Zemmler, der das Motiv in den Vordergrund rückt, dass letztlich alles nur geliehen ist.