Erzählung

Angelika Rainer, Odradek

h.schoenauer - 28.01.2013

In der idealen Erzählung wird der Leser zu einem Kokon versponnen und somit ein Teil der Erzählung.

Der rätselhafte Begriff Odradek geht auf eine Erzählung Franz Kafkas zurück, worin eine gesichtslose Zwirnspule mit dem Hausvater in ein Gespräch tritt und ihm rätselhafte Zusammenhänge aus dem Untergrund des Hauses offenbart.

Wolfgang Hermann: Abschied ohne Ende

h.schoenauer - 14.01.2013

„Wenn das Sommerlicht einmal gebrochen war, kehrte es nie mehr zurück.“ (9) Wolfgang Hermann gilt als der Magier des Selbstverständlichen, oft sind es Lichtverhältnisse, der Wechsel einer Jahreszeit, der Verlauf eines Straßenzuges oder biographische Krümmungen zwischen Liebe und Tod, denen er mit frisch kalibrierten Sätzen zu Leibe rückt.

In der poetischen Dokumentation „Abschied ohne Ende“ findet ein Vater seinen siebzehnjährigen Sohn Fabius tot im Bett seines Zimmers auf. Dieser Tod kommt so unerwartet, dass es allen die Sprache verschlägt. Einzig der Körper des Vaters scheint eine Botschaft ausdrücken zu können, indem er eine Herzattacke auslöst.

Ingrid Windisch, Die Nächste, bitte!

h.schoenauer - 21.12.2012

Selten eine Ermunterung löst Schrecken und Erlösung gleichzeitig aus wie jenes berüchtigte „Die nächste bitte!“

Ingrid Windisch nimmt diese Floskel zum Anlass für Geschichten, die hinter den Krankengeschichten ihrer Patientinnen stehen. Als Hausärztin muss sie zuerst einmal mit dem männlichen Befehl aufräumen, denn noch immer sprechen auch Ärztinnen mit ihren Patientinnen in der männlichen Form „der nächste“.

Waltraud Mittich, Du bist immer auch das Gerede über dich

h.schoenauer - 14.12.2012

Wie kann man das Tabu um eine historische Person aufbrechen, ohne diese Person nicht gleich wieder andersrum zu zerbrechen?

Waltraud Mittich versucht den in der öffentlichen Versenkung verschwundenen Widerstandskämpfer Hans Egarter zumindest in seinen Grundzügen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Manfred Rumpl, Das weibliche Element

h.schoenauer - 28.11.2012

Seit den Zeiten der Wahlverwandtschaften gibt es in der Literatur immer wieder Überlegungen, ob die Erotik nicht eine chemische Angelegenheit zwischen dem weiblichen und dem männlichen Element sei.

Manfred Rumpl schickt in seinen sechs Stories den männlichen Erzähler Anatol Hofer auf die Suche nach dem weiblichen Element. Und die erste Erfahrung, die der Held dabei macht: das weibliche Element lässt sich nicht suchen und schon gar nicht finden, es taucht von sich aus ungefragt auf.

Harald Gordon, Die Memoiren des Fredi P.

h.schoenauer - 16.11.2012

Wenn man das Leben ernsthaft genug betreibt, hat man auf jeden Fall genug Stoff für seine Memoiren.

Harald Gordon lässt seinen dreizehnjährigen Fredi mit kühner Miene aufmarschieren, ähnlich dem Oskar in der Blechtrommel ist er irgendwie fertig auf die Welt gekommen und hat auch schon als Schüler einen ziemlichen Überblick über die Welt.

Marlene Schwarz, Catania

h.schoenauer - 09.11.2012

In der Literatur gibt es oft ein strenges Ranking verschiedener Nachrichten. So muss fallweise eine Verwandtschaftsbeziehung einem Text vorausgestellt werden, damit sich die Leserschaft anschließend voll auf den Text konzentrieren kann.

Im Falle von Marlene Schwarz muss man einfach wissen, dass sie die Schwester von Herbert Rosendorfer ist, und dieser beschreibt jene in einem Vorwort als die Strukturierteste und Emsigste unter den Geschwistern.

Engelbert Obernosterer, Das grüne Brett vor meinem Kopf

h.schoenauer - 07.11.2012

„Schön, wie das Dorf mitsamt seinen Eigenbrötlern und Wichtigtuereien im blauen Dunst aufgeht. Für die Dauer der Gipfelrast ist der Bergfreund heraußen aus dem, was ihn sechs Tage lang beengt hat, steht erhaben über dem, was die im Tal Gebliebenen gegen die unsichtbaren Wände prallen lässt.“ (31)

Engelbert Obernosterer schickt seinen Beobachter durch das Leben einer Kleinstadt an der Peripherie des Landes. Dieser Erzähler hat durchaus ein Brett vorm Kopf, freilich ein grünes, das noch nicht ausgewachsen ist und sich vielleicht zu einem weiten Blick durchbohren lässt.

James Franco, Palo Alto

h.schoenauer - 02.11.2012

Pubertät und Sex bis zum Anschlag, Partys und Drogen bis zum Abwinken, Poesie und Hilflosigkeit bis zum Umfallen der Seele, das alles aufgesplittet in eine Handvoll Kurzgeschichten. - So kann nur ein Meister des cineastischen Wahnsinns mit dem Stoff umgehen.

Tatsächlich nennt der Hollywood-Schauspieler James Franco seine Geschichten Lehrstücke einer extremen Jugend. Er stillt dabei diese von uns Lesern gerne unterdrückte Lust, eine Story vielleicht einmal ohne Moral und mit fatalem Ausgang lesen zu dürfen.

Ursula Bauer / Jürg Frischknecht, Schüttelbrot und Wasserwosser

h.schoenauer - 30.10.2012

Der Vinschgau, diese bemerkenswerte Kulturlandschaft zwischen Reschen und Meran, besitzt an seinem westlichen Ende lauter Ausstülpungen, mit denen der wandernde Mensch geradezu ins Innere gezogen wird.

Ein vernünftiger Mensch kann gar nicht anders, als der Neugierde nachzugeben und sich dem Vinschgau in die Arme zu werfen.