Belletristik und Sachbücher

Selma Mahlknecht, rosa leben

h.schoenauer - 28.09.2004

Buch-Cover

Diese unheimliche Farbe rosa! In den Romanen "Fasching" (1967) und "Katzenmusik" (Nachlass, 1974) des österreichischen Autor-Bibliothekars Gerhard Fritsch werden Sexualität, Politik und irreale Aufklärung in rosarotes Krepp-Papier gewickelt, während die Protagonisten rosa Punschkrapfen essen. Seither ist rosa eine literarische Farbe für das Klebrige, Zähe, Österreichische.

Robert Gordon, Muddy Waters

h.schoenauer - 28.09.2004

Buch-Cover

Die Tiroler Schützen staunten in den Sechziger Jahren nicht schlecht, als sich plötzlich eine Band so nannte wie ihre Lieblingsbeschäftigung: Rolling Stones.

Bis dahin war das Hinunterrollen von Steinen auf Feinde eine historische Spezialbeschäftigung Tiroler Patrioten, die zwischen Pontlatz und Sachsenklemme wahlweise Franzosen und Bayern niederrollten.

Ludwig Roman Fleischer, Weihnachten im Entzug

h.schoenauer - 25.09.2004

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Zu keiner Zeit ist die gesellschaftliche Haut so dünn wie zu Weihnachten. Die einen reißen sich zusammen, bis die Nerven reißen, die anderen verfressen und betrinken sich, bis sie platzen, und die dritten strömen so ausgiebig Illusionen nach, bis diese unerträgliche Erlösungsrealität geworden sind.

Sind schon die Familien zu Weihnachten überfordert, so tun sich in öffentlichen Einrichtungen und geschlossenen Anstalten geradezu Abgründe des Weihnachtswahnsinns auf.

Norbert Gstrein, Wem gehört eine Geschichte?

h.schoenauer - 25.09.2004

Buch-CoverEs gibt momentan zwei österreichische Weltdichter, die jenseits des unsäglichen Austrokoffers auf den Literaturbetrieb "gaggen", wie man so nett zu sagen pflegt.

Der eine ist Peter Handke, der soeben mit seinem Don Juan als germanistischem Genericum schwindelerregend kühn die Geschichte vom nachgebauten Liebhaber erzählt hat, und der andere ist Norbert Gstrein.

Walter Grond, Drei Männer

h.schoenauer - 15.08.2004

Buch-Cover

"Einzig in der Grazer Tagespost, einem österreichischen Provinzblatt, war von ihrem Tod zu lesen: Prinzessin Djavidan ist am 5. August 1968 nach kurzem Leiden im 92. Lebensjahr sanft entschlafen." (72)

So eine sanfte Entschlafung macht natürlich neugierig, wer ist diese Prinzessin, was hat sie so getrieben?

Sepp Mall, Wundränder

h.schoenauer - 15.08.2004

Buch-CoverGibt es eine ideale Zeit, um Zeitgeschichte zu erzählen? - Ideal ist vermutlich jene Distanz, die zwischen Kindheit und reifem Alter liegt, eine Distanz, mit der Adalbert Stifter meist seine Figuren abgeklärt und erkenntnisreich hat auftreten lassen.

Sepp Malls Roman ?spielt? in den sechziger Jahren in Südtirol, Höhepunkt der internationalen Zeit ist das legendäre Fußballmatch zwischen England und Deutschland 1966 mit diesem komischen Tor, von dem man bis heute nicht weiß, ob es eines gewesen ist oder nicht.

Carsten Otte, Schweineöde

h.schoenauer - 11.08.2004

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"Das ist ein Privileg der Einheimischen: Schweineöde sagen zu dürfen statt Schöneweide." (62) Irgendwo an der Peripherie von Berlin liegt dieser seltsame Ort, der das Privileg hat, Kulisse für das absolute Nichts zu sein.

Aber nicht nur der Ort ist gut aufgehoben im Nirwana zwischen Stadt und Land, auch die Zeit ist so bedeutungslos, dass in der Geschichtsschreibung kaum eine Seite voll werden wird mit diesen Ereignislosigkeiten.

Carl Djerassi, EGO

h.schoenauer - 02.08.2004

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Vermutlich jeder hat einmal als Kind davon geträumt, seinem eigenen Begräbnis zusehen zu dürfen, denn niemals ist die Freude so groß, wie wenn andere um einen weinen.

Schriftsteller träumen ein Leben lang davon, dass um sie geweint wird, vor allem, wo sie doch so tolle Sachen geschrieben haben. Das echte Ego ist also zeitlos und kommt oft erst nach dem Tod zur vollen Geltung.

Gert Müller, Willram

h.schoenauer - 02.08.2004

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Die Literatur endet oft patriotisch in Straßennamen und Gerüchten.

In Orten wie Innsbruck, Bruneck oder in der EU-Kommissar-Stadt Absam gibt es Bruder-Willram-Straßen, die mehr oder weniger bebaut vor sich hinrosten, mittlerweile ziemlich im Windschatten der Geschichte. Und in der Literatur kennt man Bruder Willram als den deftigsten Kriegslyriker, den je eine Kutte in ihrem Innern gesehen hat.

Antonio Fian, Bis jetzt

h.schoenauer - 01.08.2004

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Einen Jubiläumsband zum 48. Geburtstag zu ordern, das entspricht genau der Schreibverfassung Antonio Fians. Er greift die Dinge wie ernst auf und verfremdet sie durch eine zu kurze oder zu lange Einschätzung der Lage.

Bei ihm sind die Bretter generell zu kurz abgeschnitten und die Einbauschränke zu lang, aber gerade dadurch sprengt er das Korsett des gewohnten Blicks, meisterhaft ausgeführt in seinen Dramoletten.