Christian Mähr, Naturschutz in Vorarlberg

Wer einmal das Handwerk der Provinz gelernt hat, kann darin jeden Tag das Universum entdecken.

Christian Mähr ist der Fachmann für das Leben in kleinen Soziotopen. Ob er nun einen Krimi schreibt, eine Werkstoffanalyse vorlegt oder dem Treiben der Bienen auf engstem Raum zuschaut, immer handelt sein Schreiben vom schmunzelnd liebevollen Umgang weltentrückter Menschen in einer weltoffenen Gegend.

So ist es kein Wunder, das Christian Mähr die Dokumentation des Naturschutzes in Vorarlberg übernommen hat, weil er einerseits in seinen Rundfunksendungen ein Leben lang sich damit befasst hat und andererseits versprochen hat, den Naturschutz als etwas Fröhliches darzustellen, was er ja per se sein soll.

Gleich zu Beginn stellt der Autor fest, dass es kein Zeitwort zum Naturschutz gibt, „ich naturschütze“ ist wahrscheinlich deshalb unüblich, weil es ziemlich selbstverständlich ist. Zumindest aus gegenwärtiger Sicht nämlich ist der Vorarlberger Naturschutz eine Erfolgsgeschichte, weil er harmonisch gewachsen ist, sich autonom entwickelt hat und von der Bevölkerung akzeptiert ist.

Das war nicht immer so. Ursprünglich sind es Zuagroaste, die erste Ideen des Naturschutzes ins Land bringen. Das Edelweiß wird die erste geschützte Pflanze, als sie durch Sonntagsausflügler beinahe ausgerottet wird.

Den ersten handfesten Naturschutz bringen die Nazis, sie führen die Bergwacht ein und betonen, dass die Natur als Kraftquell des Volkes angesehen werden muss.

Nach diesem perversen Intermezzo, in dem Vorarlberg von Innsbruck aus Gau-regiert wird, legt das Land nach dem zweiten Weltkrieg ordentlich vor, was Landschaftsschutz, Naturschutz und Lebenskultur sein könnte. Dabei kommt das vorarlbergische Selbstbewusstsein zum Tragen am Beispiel der Fussach-Affäre. Als eine skurrile Schiffstaufe verhindert wird richtet sich das Land auf und nimmt das Leben selbst in die Hand.

In punkto Naturschutz bedeutet das, dass man der „Psychohistorie“ (131) Rechnung trägt, wonach das Elend vieler Generationen mit dem kargen Boden sublimiert wird in der Gegenwart, wo sich jeder ein üppiges Grundstück rund ums Haus leistet, um die Ahnen zu rächen.

Freilich gibt es lange Zeit bodenständige Spitzfindigkeiten, wenn etwa ein Ried anders geschützt wird als ein Flachmoor, aber niemand den Unterschied der beiden Biotope kennt. Und diese Flächen werden immer wieder bedroht von der Autolobby, die deshalb so stark ist, weil sie die Jagdinstinkte der Vorfahren anspricht. Autofahren dient nämlich nicht dem Transport von sich oder etwas, sondern dem Ausleben des Jagdinstinktes und ist deshalb mit logischen Mitteln nicht zu bekämpfen.

In die Kapitel Edelweiß (15), Nazi (81), Landschaftsschutz (96), Verhüttelung (126) und Naturschutzgebiete (188) sind Interviews mit Pionierinnen und Mitgliedern des Naturschutzrates eingeflochten. Alle sind fröhlich und betonen, dass es sich lohnt, wenn man selbstbewusst auf die unmittelbare Umgebung schaut.

Christian Mähr hat es abermals geschafft, ein Stück Unverwechselbarkeit aus der Kernzone des Provinz-Universums darzustellen.

Christian Mähr, Naturschutz in Vorarlberg. Eine Annäherung.
Innsbruck: Limbus 2012. 224 Seiten. EUR 17,-. ISBN 978-3-902534-57-6.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Christian Mähr, Naturschutz in Vorarlberg
Wikipedia: Christian Mähr

 

Helmuth Schönauer, 27-06-2012

Bibliographie

AutorIn

Christian Mähr

Buchtitel

Naturschutz in Vorarlberg. Eine Annäherung

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Limbus-Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

17,00

ISBN

978-3-902534-57-6

Kurzbiographie AutorIn

Christian Mähr, geb. 1952 in Nofels, lebt in Dornbirn.