Christopher Morley, Eine Buchhandlung auf Reisen

h.schoenauer - 03.11.2016

Bis herauf zur Jahrtausendwende sind in Österreich am flachen oder steilen Land noch fliegende Bibliothekare unterwegs gewesen, die die öffentlichen Büchereien fallweise mit Lesestoff versorgt haben. Klassische Bücherbusse sind noch in Salzburg und Graz unterwegs , worin sich das Publikum in den Vororten mit Literatur eindecken kann.

Christopher Morleys hundert Jahre alter Roman „Eine Buchhandlung auf Reisen“ gilt allen mobilen Leseeinrichtungen als augenzwinkernd gehaltenes Vorbild. Ein Professor und Büchernarr aus der Stadt fährt aufs Land, um seinen Parnassus samt Pferd Pegasus dem Landwirt Andrew zu verkaufen. Doch da fährt dessen Schwester Helen dazwischen und kauft den Pegassus selbst, denn sie will endlich in die Welt hinaus und lesen.

Der Hauptteil des Romans besteht nun darin, dass der Professor seine Nachfolgerin im mobilen Lesehandwerk einschult. Es geht um gute Standplätze, spannende Mobilmachung des Publikums und natürlich Herz-zerquetschenden Lesestoff.

Sie verkaufen nicht Papier und Druckerschwärze, sondern ein ganz neues Leben! (44)

Selbst Ladenhüter wie die zwanzig-bändige Sammlung „Die größten Begräbnisreden der Welt“ sind bei kluger Promotion durchaus an den Mann und die Frau zu bringen, immerhin kann der blasse Umschlag bei der Aufstellung im Regal von diskretem Vorteil sein.

Gerade als es ans Verabschieden zwischen Professor und Buchhändlerin geht, wird der Bücher-Wagen gestohlen. Jetzt kommt etwas Chaplin-Dramaturgie ins Spiel und die Landstreicher, natürlich dumpfe Lese-Dodel, können überwältigt werden.
Jetzt aber endgültig Trennung und Tränen, es hat sich offensichtlich unter dem Eindruck der Lesegespräche etwas am Hormonspiegel getan, jedenfalls ist da plötzlich ein Gefühl, das es wirklich nur in der Literatur gibt.

Der im Stich gelassene Landwirt hat inzwischen Anzeige gegen den Professor wegen Störung der Landwirtschaft eingebracht, der Lesefan muss noch kurz ins Gefängnis, ehe ihn die Buchhändlerin befreit. Aber jetzt wird geheiratet, Landwirtschaft und Literatur finden offensichtlich einen Frieden.

Christopher Morley schwärmt als „Sherlockianer“ von der gepflegten literarischen Unterhaltung Marke Sherlock Holmes. Die Lesekultur schafft die Veredelung des Lebens. Ob Stadt oder Land, Landwirt oder Professor, die Literatur packt sie alle, wenn man ihr nur einen Parkplatz für den Pegassus gibt!

Christopher Morley, Eine Buchhandlung auf Reisen. Roman. A. d. Amerikan. von Felix Horst. [Orig.: Parnassus On Wheels, New York 1917]
Hamburg: Atlantik Verlag 2015, 190 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-455-60023-0

 

Weiterführende Links:
Atlantik Verlag: Christopher Morley, Eine Buchhandlung auf Reisen
Wikipedia: Christopher Morley

 

Helmuth Schönauer, 11-01-2016

Bibliographie
AutorIn:
Christopher Morley
Buchtitel:
Eine Buchhandlung auf Reisen
Originaltitel:
Parnassus On Wheels
Erscheinungsort:
Hamburg
Erscheinungsjahr:
2015
Verlag:
Atlantik Verlag
Übersetzung:
Felix Horst
Seitenzahl:
190
Preis in EUR:
18,50
ISBN:
978-3-455-60023-0
Kurzbiographie AutorIn:
Christopher Morley, geb. 1890 in Pennsylvania, starb 1957 in N.Y, gilt als „Sherlockianer“.