Doris Gercke, Milenas Verlangen

Die Gegenwartsliteratur besteht ja immer auch aus einem Segment voller Werbung. Zyniker sagen, in der Konsumgesellschaft wird gar nichts anderes erwartet, als dass ein Produkt ohne Inhalt für sich wirbt. Die abgedroschenste Form, Literatur zu lancieren, besteht daher momentan darin, dass man überall Krimi draufschreibt.

Doris Gercke ist mit ihrem Roman „Milenas Verlangen“ zum Krimi-Handkuss gekommen. Letztlich geht es um drei derangierte Personen, die tief verwundet ihre Seelenpatzer wegwischen wollen. Da ist zum einen die Ich-Erzählerin Milena, die als Anwältin aus dem Justizbetrieb ausgestiegen ist und jetzt mit ihrer Tochter in einem Streifen zwischen Strand und Nichts lebt, das sie hoffnungsvoll Provinznest nennen. (167)

Die zweite Aussteiger-Achse ist von einem Ex-Kommissar besetzt, dem ein Drogenmensch ins Knie geschossen hat. Jetzt humpelt er angefressen und rachsüchtig durch die emotionalen Dünen, ehemalige Mitarbeiter munkeln, dass bei ihm das Hirn schon immer im Knie gesessen habe.

Und zwischen den beiden kaputten Karrieren lungert ein 17-Jähriger herum, der durch höfliche Mitarbeit versucht, Anschluss an die heiß ersehnte Erwachsenenwelt zu finden.

Im ersten Drittel des Romans knabbern die Figuren an ihren Schicksalen herum, versuchen in der depressiven Gegend durch Hineinhorchen in sich selbst endlich jene Stimmen zu hören, von denen sie sich verfolgt fühlen. So hockt tatsächlich die Ex-Ehefrau des Ex-Kommissars plötzlich in der Küche, halb aus Verzweiflung, halb als Hommage an „Psycho“.

Ein scheinbar läppischer Vorfall bringt die Kaputten endlich auf Linie, die Tochter Milenas macht noch einen Abendausgang in Begleitung, was aber für eine Entführung gehalten wird. Jetzt sind Anwältin und Kommissar wieder in ihre ehemalige Berufswelt zurück gebeamt und erklären die Zukunft zu ihrem Fall.

Während Milena wieder Kontakt zur Anwaltskanzlei aufnimmt und sich um ihre Eltern kümmert, baut sich der Kommissar ein kleines Tatort-Studio, worin er auf einer Pinnwand sein angeschossenes Knie ausrollt wie in einer Tatort-Folge. Die Spur führt nach Nizza, weshalb Held und Heldin dorthin fliegen. Endlich kommt es auch zum Geschlechtsverkehr, den ER mit dem Klassiker einleitet: „Zieh dich aus!“ Hinten nach ringt sie um Worte, denn wie alle gebildeten und belesenen Menschen will sie nur eines: den Sex beschreiben.

Ich glaube, es war wie das Leben: schmerzhaft und irrsinnig schön, wie ein Pfingsttag, wenn die Welt in Blüten explodiert, aber die Blüten schreien dabei. (213)

Das ist es dann auch. In Nizza wird noch ein bisschen herumgeschossen, alte Rechnungen werden beglichen, seltsame Verstrickungen tun sich auf. Aber da es ja ein Krimi ist, darf hier nichts verraten werden.

Doris Gercke erzählt ziemlich gebrauchsfertig im Convenience-Format, man muss die Sätze nur kurz beim Lesen anwärmen und schon ist alles fertig.

Doris Gercke, Milenas Verlangen. Kriminalroman
Innsbruck: Haymon Verlag 2016, (= TB 111), 275 Seiten, 9,95 €, ISBN 978-3-7099-7854-2

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Doris Gercke, Milenas Verlangen
Wikipedia: Doris Gercke

 

Helmuth Schönauer, 25-06-2016

Bibliographie

AutorIn

Doris Gercke

Buchtitel

Milenas Verlangen. Kriminalroman

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

275

Preis in EUR

9,95

ISBN

978-3-7099-7854-2

Kurzbiographie AutorIn

Doris Gercke, geb. 1937 in Greifswald, lebt in Hamburg.