Elias Schneitter, What‘s nude?

Wenn Menschen der Gegenwart aktuelle Nachrichten empfangen, wischen sie gerne mit den Zwicke-Gliedmaßen Daumen und Finger über die glatte Fläche des Smartphones, um dann eine Portion Glück unter der Glätte des Displays zu empfangen.

Ähnliches Glück verspricht die sogenannte Handpresse. Darin werden in exquisiter Technik sorgsam ausgewählte Texte für ein erlauchtes Publikum aufbereitet.

Vergleichbar mit einem guten Film, bei dem die wichtigsten Angaben oft im Nachspann aufgeschrieben sind, soll man bei einer Handpresse auch immer den Nachspann mitlesen. Darin erfährt man Einiges über Drucktechnik, Satz, Papierqualität und auch über die Künstler, die dieses rare Handwerk betreiben.

Solchermaßen edel umrahmt, strahlen die gedruckten Texte dann zusätzliche Gefühle ab, die weit über den üblichen Sound von Gedichten hinausgehen.

Elias Schneitter hat für das Projekt Handpresse vier so genannte Langgedichte zur Verfügung gestellt, das sind poetisch aufgekratzte Fragestellungen, wie sie besonders in der Beatnik-Szene der US-Literatur der fünfziger und sechziger Jahre in den Vordergrund worden sind.

„What’s nude?“ schreit im titelgebenden Eingangsgedicht ein aufgeregter Student, als eine Truppe von Beat-Dichtern in San Francisco eine Performance hinlegt. Allen Ginsburg lässt daraufhin sein Harmonium stehen und zieht sich aus. „That‘s nude, sagt Ginsberg, völlig entblößt auf der Bühne stehend, womit einiges gesagt ist.“

In einem biblisch aufgebauten Moralgedicht werden unter der Dramaturgie eines Predigers sogenannte Hüte-Dich-Sätze vorgestellt.

Hüte dich vor jedem, der versucht, dir etwas einzureden, / denn er will dich bevormunden. // Hüte dich vor allem / vor deinen eigenen Gedanken / und vor dir selbst, / denn ohne dieses Misstrauen / wirst du ebenfalls scheitern / und auf einem Irrweg landen. (8)

„Wo soll das hinführen“ nennt sich ein Liebesgedicht, das mehr ein Seufzer als eine Frage ist. Die Liebe hat jäh eingesetzt, das lyrische Ich ist dieser Gefühlsrutsche hemmungslos ausgesetzt, „bin wirklich gespannt, / was daraus wird.“ Mehr als ein heftiger Start lässt sich momentan nicht sagen, aber das ist ja auch schon was.

„Wie soll man das Ende von Reinhold der Mutter beibringen?“ fragt sich im Schlussgedicht die kollektive Dorfseele, als sich der unglückliche Reinhold erschossen hat, weil er mit dem Leben nicht zurechtgekommen ist. Irgendwie hat er ja recht gehabt, in seiner ausweglosen Situation, aber wer sagt es jetzt seiner Mutter, die im Altersheim sitzt? (11)

In vier elementaren Gedichten über Kunst, Moral, Liebe und Tod gelingt es Elias Schneitter, den poetischen Kosmos aufzureißen wie ein Wind, der aus vier Richtungen gleichzeitig bläst. Und veredelt sind die Gedichte noch durch sogenannte poetische Spots, an denen sie vorgeblich entstanden sind. Cafe San Marco, Triest / Specs, San Francisco / Starbucks Astor Place, NY / Zirl. – Ein Zeit-festes Buch aus der Handpresse!

Elias Schneitter, What‘s nude? Gedichte. Streng limitierte & nummerierte Auflage. 100 Stück; gesetzt aus van Dijck-Antiqua auf Büttenpapier, hrsg. von Martin Kolozs.
Innsbruck, Wien: Kyrene 2011. 16 Seiten. EUR 25,-. ISBN 978-3-900009-90-8.

 

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Helmuth Schönauer, 26-03-2012

Kyrene-Verlag
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Bibliographie

AutorIn

Elias Schneitter

Buchtitel

What‘s nude? Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Kyrene-Verlag

Seitenzahl

16

Preis in EUR

25,-

ISBN

978-3-900009-90-8

Kurzbiographie AutorIn

Elias Schneitter, geb. 1953 in Zirl, lebt in Zirl.