Klaus Ebner, Hominide

In der Biologie gibt es die durchaus praktikable Denkvorstellung, dass das Leben aus permanent flatternden DNA-Strähnen besteht, die fallweise zu Menschen, Tieren oder Zellen ausgebildet sind. Nach dieser Logik kann ein Menschenaffe in grauer Vorzeit durchaus im Gebüsch am Rande einer Savanne sitzen und mit dem Denkwerkzeug der Gegenwart den Sinn des Lebens finden.

Klaus Ebner erzählt die Evolutionsgeschichte verblüffend einfach und gleichzeitig höchst raffiniert. Vor Millionen von Jahren sitzt eine Sippe von Hominiden in Afrika zwischen zwei Vegetationsgebieten fest. Alles läuft rudelgemäß ab, man paart sich, wenn es sich ergibt, man hält den Kreislauf im grünen Bereich und huldigt einer sozialen Ordnung, über die man nicht viel nachdenkt.

Die erzählte Woche freilich hat es in sich. Wie in der Schöpfungsgeschichte üblich besteht sie aus sieben Tagen, an denen die Hominiden alle Stationen bis hin zur vollkommenen Menschheit erleben. Held dieser evolutionären Geschichte ist Pintar, der als Ich-Erzähler für alles eine Sprache hat und ständig tolle Sachen erfindet.

Einmal wird ein Arbeitsvertrag ausgestellt, womit die Leistungen des Einzelnen mit dem Rudel geregelt sind, darauf folgt logischerweise die Gründung einer Gewerkschaft, an anderer Stelle im Gebüsch wird gar das erste Parlament eingerichtet. Neben den politischen Entwicklungen stehen auch Neuerungen in der Ernährung und Verdauung an, als Fernziel gilt die Tiefkühlkost, die das Rudel von schlechten Witterungen und Ernteausfällen unabhängig machen wird.

Die Hominiden können erstaunlich gutes Latein, das als Brücke für die Zukunft gilt. Aber auch die wichtigsten Sprichwörter der Menschheit sind schon im Umlauf, etwa das schöne: „Bisch a Tiroler, bisch a Mensch“(63), mit dem jegliche Evolution zusammengefasst wird.

Für einen zukunftsorientierten Ich-Erzähler ist es gar nicht so einfach, die anwesende Meute immer auf der Höhe der Zeit zu halten. Als es zu Auseinandersetzungen kommt, ist plötzlich gar nicht mehr klar, wer jetzt das Volk ist und ob es überhaupt eines braucht.

Und dann gibt es noch etwas wie die Hormone, wie die DNA in konzentrierter Form genannt wird. Pintar und Maluma beschließen ein Paar zu werden, nachdem sie die Sache mit dem nebenbuhlenden Hominiden-König geklärt haben. Als Double von Adam und Eva verlassen die beiden freiwillig die afrikanische Savanne und ziehen in den verheißungsvollen Norden, der gerade als Paradies modern ist.

Klaus Ebner erzählt das Wesen der sogenannten abendländischen Kultur als Ergebnis einer Reihe von Zufällen, die von einem starken Erzähler vorangetrieben und in ein chronologisches Korsett gezwängt worden sind. Gängige Philosophien werden von Hominiden verkörpert, wodurch die Chance besteht, ihnen auch eine völlig neue Deutung zu bescheren.

Bei mehrmaliger Lektüre und unter Verwendung des Glossars stellt sich heraus, dass diese Figuren gar nichts Freies reden, sondern jeweils sauber ausgeklügelte Thesen abreden. Hominide sind ein moderner Mythos, der im Festivalkostüm der Halbaffen erzählt wird.

Klaus Ebner, Hominide. Erzählung. [Orig.: FZA, Wien 2008]
Klagenfurt: Wieser Verlag 2016 (= wtb 26), 100 Seiten, 9,95 €, ISBN 978-3-99029-206-8

 

Weiterführende Links:
Wieser Verlag: Klaus Ebner, Hominide
Wikipedia: Klaus Ebner

 

Helmuth Schönauer, 07-09-2016

Bibliographie

AutorIn

Klaus Ebner

Buchtitel

Hominide

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Wieser Verlag

Reihe

wtb 26

Seitenzahl

100

Preis in EUR

9,95

ISBN

978-3-99029-206-8

Kurzbiographie AutorIn

Klaus Ebner, geb. 1964 in Wien, lebt in Schwechat.