Lily King, Vater des Regens

Wenn es nach den Forschungsdisziplinen Psychologie und Literatur geht, sind Vater und Tochter ausschließlich deshalb auf der Welt, damit sie Schwierigkeiten kriegen und dann einen Psychologen oder eine Bibliothek aufsuchen können.

Lily King beginnt ihr Kammerstück der Familienverhältnisse mit einer Idylle, und das bedeutet im Roman fast immer Schrecken. Die Ich-Erzählerin Daley kriegt zum elften Geburtstag ein Hündchen, aber schon als sie damit nach Hause kommt, ist klar, dass das Hündchen nicht ihr gehören wird, so wie der Pool nicht, den sie zum fünften Geburtstag gekriegt hat.

Genaugenommen wird zu Hause alles notdürftig mit Geld zusammengehalten, aber jetzt nützt auch die Kohle nichts mehr, Scheidung ist angesagt und Mutter zieht mit der Tochter in eine Parterrewohnung in der Stadt. Für die heranwachsende Tochter wird der Vater zu einer Freizeitfigur, mit der man sich ungezwungen für die schönen Teile unterhalten kann, die schlechten Teile werden in der Stadtwohnung mit Mutter erledigt.

Im zweiten Teil ist Daley schon erwachsen, sie hat studiert und in Mexiko Götter für und gegen alles ausgegraben. Jetzt bedrückt sie ihr Verhältnis zu ihrem schwarzen Freund, der immer wieder auf Political Correctness pocht, wenn es um seine Hausfarbe geht.

Daley soll gerade ein wichtiges Forschungsprojekt antreten, aber dann kommt der Notruf vom Bruder, Vater geht es schlecht. Vielleicht kann sie den kollabierten Vater retten. Mutter ist schon gestorben und Vater ist Alkoholiker und wird bei den Anonymen Alkoholikern restauriert. Während Vater wöchentlich die Therapien über sich ergehen lässt, liest die Erzählerin in der Bücherei, beide wollen so etwas wie eine neue Rolle finden.

Die Sonne ist hinter der Bücherei verschwunden, und der Himmel, fliederweiß jetzt, wartet auf die Nacht. Die meisten Menschen sind daheim und richten das Abendessen her. (223)

Es vergehen Jahre, in denen man sich zum Überleben eingerichtet hat, die Nähe besteht darin, dass man nichts zulässt, was über ein loses Sitz-Zeremoniell hinausgeht. Vater ist vielleicht ein Regengott, er ist für das Düstere zuständig, macht aber seine Sache ganz gut, eingekeilt zwischen Golf, Jagd und Pool. „Ungeklärte Beziehungen machen die Trauerarbeit am schwersten.“

Und dann kommt es zum obligaten Schlaganfall, der das Leben noch einmal in verstümmelte Formulierungen zwingt. „Sein ganzes Leben machte mich traurig“ (371) sagt die Tochter gereift an der eigenen Melancholie.

„Vater des Regens“ erzählt von der trüben Seite des Lebens. Gerade das Unauffällige ist ein Medikament, das gegen die Nebenwirkungen des Lebens hilft.

Lily King, Vater des Regens. Roman. A. d. Engl. von Sabine Roth. [Orig.: Father of the Rain, New York 2010].
München: C.H. Beck Verlag 2016, 399 Seiten, 21,95 €, ISBN 978-3-406-69805-7

 

Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Lily King, Vater des Regens
Wikipedia: Lily King

 

Helmuth Schönauer, 12-09-2016

Bibliographie

AutorIn

Lily King

Buchtitel

Vater des Regens

Originaltitel

Father of the Rain

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

C. H. Beck Verlag

Übersetzung

Sabine Roth

Seitenzahl

399

Preis in EUR

21,95

ISBN

978-3-406-69805-7

Kurzbiographie AutorIn

Lily King, geb. 1963, lebt in Maine.