Miklós Bánffy, In Stücke gerissen

h.schoenauer - 04.12.2015

Wenn ein Jahrhunderte altes Gesellschaftsmodell zerfällt, helfen oft nur mehr alt-biblische Sprüche, um das Chaos darzustellen.

Der ungarisch-siebenbürgische Schriftsteller Miklós Bánffy verwendet für seine Siebenbürgische Untergangs-Trilogie die drei frei formulierten Bibel-Zitate „Du wurdest gewogen“, „Und für zu leicht befunden“ und „In Stücke gerissen“. Die drei Romane lassen sich auch einzeln lesen und beschäftigen sich mit den letzten Dezennien der Doppelmonarchie. Was für Österreich die Kastration von Versailles darstellt, ist für Ungarn der Friedensvertrag von Trianon 1920, in dem alles Bisherige zerrissen wird.

Der Roman setzt 1910 ein, als bereits der kontinentale Zerfall in der Luft liegt und am Balkan teilweise schon handfeste Vor-Kriege im Gang sind. Der Held Bálint Abády ist Abgeordneter in Budapest und vertritt die Ländereien in Siebenbürgen. Er weiß um die Fehler im Regierungssystem und versucht zu retten, was zu retten ist, indem er gerechte Wirtschaftsmodelle entwickelt und sich auf die Seite der verarmten Bevölkerung schlägt und Genossenschaften errichtet. Aber die Landbevölkerung misstraut ihm, denn er wäre der erste Großgrundbesitzer mit Herz.

Seinen Co-Adeligen macht er den Vorwurf, dass sie anstatt ihre Güter gut zu verwalten alle Anwälte und Beamte geworden sind und eine alte Verfassung zelebrieren.

Privat scheitert Bálint Abády ebenso, weil seine Geliebte angesichts der miesen politischen Lage keine Chance mehr sieht, dass die Ehe einen Sinn macht. Sie pflegt stattdessen ihr Kind und benützt die Kurbäder Europas, so lange sie noch offen sind.

Der Held nimmt wehmütig Abschied von seinen Ländereien und zieht nach der Mobilmachung verlässlich seine Feld-Uniform an. Das alles wird es nicht mehr geben, der Untergang ist zum Greifen dicht.

Miklós Bánffy erzählt den privaten und politischen Strang des Helden mit der jeweils gleichen Ernsthaftigkeit und Quellendichte. So erklärt der misslungene Eheversuch die emotionale Lage, in der sich alle befinden, und die politischen Kräfte versuchen durchaus ihre Anliegen emotional und idealistisch zu sehen.

Aber das System ist bereits gekippt und geht ins Groteske. Einmal sehen sich zwei Randfiguren genötigt, ein Duell durchzuführen, obwohl es niemand will. Unter völlig peinlichen Umständen wird das Duell abgeführt, der Verlierer versucht mit der halb abgeschnittenen Nase den Nachtzug zu erreichen, als ob nichts gewesen wäre.

Manche Figuren bringen sich um, andere altern über Nacht und sterben am Morgen unaufgeregt, die dritten melden sich zur nächstbesten Front, um es schnell hinter sich zu bringen. Und je düsterer die Weltlage wird, umso schärfer taucht daraus der Mythos Siebenbürgen auf, das eine unendliche Magie ausstrahlt. - Ein melancholischer Geschichtsroman, der das Scheitern der Helden logisch wie selten erklärt.

Miklós Bánffy, In Stücke gerissen. Roman. A. d. Ungar. und mit einem Nachwort von Andreas Oplatka. [Orig.: Darabokra szaggattatols, 1940].
Wien: Zsolnay 2015, 397 Seiten, EUR 26,80, ISBN 978-3-552-05633-6

 

Weiterführende Links:
Zsolnay Verlag: Miklós Bánffy, In Stücke gerissen
Wikipedia: Miklós Bánffy

 

Helmuth Schönauer, 20-04-2015

Bibliographie
AutorIn:
Miklós Bánffy
Buchtitel:
In Stücke gerissen
Originaltitel:
Darabokra szaggattatols
Erscheinungsort:
Wien
Erscheinungsjahr:
2015
Verlag:
Zsolnay Verlag
Übersetzung:
Andreas Oplatka
Seitenzahl:
397
Preis in EUR:
26,80
ISBN:
978-3-552-05633-6
Kurzbiographie AutorIn:
Miklós Bánffy, geb. 1873 in Klausenburg, starb 1950 in Budapest.