Peter Landerl, Die eine Art zu sein

„Der Österreicher wartet darauf, vom Denken befreit und erlöst zu werden, die Arbeit tut er gerne und gewissenhaft, aber denken will er nicht.“ (182)

Was hier im Stile Thomas Bernhards über die Österreicher philosophiert wird, stammt aus den Notizen eines Aussteigers, der durch eine Erbschaft aufs Land in die Nähe von Thomas Bernhard gespült wird. Peter Landerl stellt in seinem Roman nämlich den Helden schnörkellos einsam, österreichisch und belesen dar.

Der Ich-Erzähler hat überraschend einen Bauernhof geerbt und zieht von Wien aus, um sich irgendwie zu finden oder zumindest „die eine Art zu sein“ auszuprobieren.

Im Frühjahr 2000 setzen die Tagebuch-Eintragungen ein, die bis ins Frühjahr 2003 verlässlich geführt werden nach dem Motto:

Das Tagebuch als Erzählform: Fiktionalität und Realität laufen auf das Leben zu wie Bruder und Schwester, Hand in Hand. (224)

Das Leben am Land verläuft gerechter als in der Stadt, denn das Land lehrt Warten und Geduld. Dem Ich-Erzähler ist vor allem die Landschaft ein verlässlicher Gesprächspartner, worin er unendliche Spaziergänge hineinsetzt. „Meiner Welt einen Sinn geben!“ (196)

Sonst redet er viel mit der alten Nachbarsbäuerin, die ihm auch einen Sinn für die Geschichte eröffnet. In sich gekehrt trauert er freilich der Geliebten nach, die früh an Krebs gestorben ist, ohne dass er sie hätte heiraten können. Manchmal spukt auch die harte Kindheit mit der verzweifelt alleinerziehenden Mutter durch das Empfinden. Und dann sind es vor allem Bücher, die der Protagonist in gewaltigen Lesenächten ausliest, Handke vor allem, von dem er oft jeden Satz einen Tag lang zelebriert.

Die Eintragungen handeln vom Kreislauf des Jahres, von den Tätigkeiten am Bauernhof und dem Zelebrieren einsamer Bräuche. Als der Held zu Weihnachten alleine alles ausräuchert, weil es Brauch ist, gerät diese Zeremonie geradezu zu einem Aufschrei der Einsamkeit.

Oft schreibt der Erzähler ein Stück Zeitungsausriss ab, eine Bestenliste von Büchern, Ergebnisse von Schi-Rennen oder die eigenen Blutwerte, denn durch das viele Herumhocken ist er sehr Krankheitsanfällig geworden.

Nach drei Jahren ist vielleicht alles gesagt, der Held merkt, dass er schon jahrelang Österreich nicht mehr verlassen hat, unvermittelt bricht der Roman mit einem pathetischen Nachsatz über das wirkliche Ich ab.

Peter Landerl fährt die scheinbar einfache Form des Tagebuchs zu einem kunstvollen Erzähl-Geschmeide über Österreich, das Lesen, das Glück und die Sehnsucht aus. Als Leser hängt man jeden Tag an den Lippen der Aufzeichnung, auch wenn dort vielleicht nur steht: „Ein grundloser Tag.“ (253)

Peter Landerl, Die eine Art zu sein. Roman.
Innsbruck: Edition Laurin 2012. 351 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-902866-04-2.

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Peter Landerl, Die eine Art zu sein
Literaturhaus Wien: Peter Landerl

 

Helmuth Schönauer, 22-11-2012

Bibliographie

AutorIn

Peter Landerl

Buchtitel

Die eine Art zu sein

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

351

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-902866-04-

Kurzbiographie AutorIn

Peter Landerl, geb. 1974 in Steyr, lebt in Oberkirch im Schwarzwald.