Simon Konttas, Die Verdunkelung

Empfindsame Seelen müssen geschützt in abgedunkelter Atmosphäre gehalten werden, nur im Schutz der eigenen Umhüllung können sie manche Tage überstehen.

Simon Konttas zeigt in seinen beiden Novellen das Phänomen fragiler Psychen einmal als dunkle Variante am Rand der Gewöhnlichkeit und einmal als überhitzte Lichtflamme bei einem Gartenfest.

In der Verdunklung gibt schon die erste Zeile eines Motto-Gedichtes die Spur der Heldin vor: „Was blutet dort am Horizont?“ Es sind vor allem Argwohn und Fahrigkeit gegenüber sich selbst, die einer Frau das Leben schwer machen. Wie in einer GPS-Anleitung wird sie durch die Stadt geführt, von der Wohnung ins Büro, wo sie eine leichte Tätigkeit mit Akten aufnimmt, ehe sie wie bei beamtenähnlichen Berufen üblich in Unruhe verfällt und das Büro für die Pause hastig verlässt.

In einem Mittagsgespräch mit einer Alten lässt sie sich von der Mutter erzählen, die vielleicht Tänzerin gewesen ist, ehe sie es mit der Schönheit der Ehe versucht hat. Von der Mutter stammt auch das verheerende Motto ihres Daseins:

Das musst du nicht heraufprovozieren, das Leben; es kommt schon von selbst mit allen Problemen und Schwierigkeiten. (27)

Jetzt hat die Frau, die mechanisch beschrieben ist wie ein unwirtlicher Arbeitsplatz, doch glatt den Schlüssel fürs Büro vergessen, den ihr ein aufgekratzter Arbeitskollege beim Abendspaziergang mit seiner Frau vorbeibringt. Kaum sind die beiden weg, entflammt aus dem Rest-Öl einer Fischdose die komplette Kindheitsgeschichte. Und dann läutet es wieder, die Frau nimmt schnell ein Bad, damit sie nicht öffnen muss. Es bietet sich ein Suizid mit dem Fön an, aber das Kabel ist so kurz. So muss sie doch die Tür öffnen und die Mutter steht da, mit allen Vorwürfen im Gesicht.

Eiseskalt und hyperrealistisch liegt alles inklusive Heldin ausgebreitet da. „Nach der Tankstelle fuhr sie rechts, die aufgelassene Bibliothek lag vor ihr.“ (16)

Die dicke Frau am Informationsschalter war mit einem Zementmischer aus dem Nachbardorf verheiratet. (19)

In der Novelle „Die Gartenfeier“ strolcht eine etwas höhere Gesellschaft durch ihr eigenes Gartenmeeting mit allen seichten und tiefen Gesprächen. In einer Stimmung wie in einem Ingmar-Bergmann-Film können die Seelen nicht aus ihren Hüllen heraus und reden deshalb zur Tarnung einen höheren Germanistenscheiß unterbrochen mit musikalischen Einlagen.

Ein Gewitter treibt sie schließlich alle ins Innere, wo sie in weichen Sätzen mit der Analyse des Aufenthalts im Freien beginnen. Manchmal schauen sich die Figuren wie aus früheren Tagen an und wollen etwas Entscheidendes sagen. Aber es bleibt beim steifen Gute Nacht und die Protagonisten gehen schlafen.

Unter der Oberfläche der satten Novelle kocht es gewaltig. Und was in der „Verdunkelung“ im Fischöl als Botschaft versteckt ist, zeigt sich in der „Gartenfeier“ als Luftpolster zwischen den einzelnen Sätzen, die sich die Figuren auf dem Weg zum Unbehagen ständig zuwerfen. – Raffiniertes Erzählwerk!

Simon Konttas, Die Verdunkelung. Zwei Novellen.
Klagenfurt: Sisyphus 2014. 161 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-901960-74-1.

 

Weiterführender Link:
Sisyphus Verlag: Simon Konttas, Die Verdunkelung

 

Helmuth Schönauer, 04-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Simon Konttas

Buchtitel

Die Verdunkelung. Zwei Novellen

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

161

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-901960-74-1

Kurzbiographie AutorIn

Simon Konttas, geb. 1984 in Helsinki, lebt in Wien und Baden.