Stefan David Kaufer, Sopranistinnensterben

Die Begriffe in der literarischen Geschäftssprache werden immer üppiger, was dem Österreichischen sehr entgegenkommt. Zum Roman sagt man mittlerweile Kriminalroman, zum Koch Haubenkoch und zum Autor Bestseller-Autor.

Stefan David Kaufer setzt diesen Ausschweifungen eins drauf und nennt seinen frechen Text satirischen Kriminalroman, und aus den Sopranistinnen hört man als Leser noch die schrillsten Töne heraus, ehe sie sterben. Die wichtigste Silbe des ganzen Romans ist ur-, das verrät einerseits große Sprachkompetenz der Helden, wenn sie alles auf einen Urzustand zurücksetzen, und andererseits große Emotionalität, wenn in urkomischen Metaphern zwischen den Generationen-Codes herum geplärrt wird.

Die beiden Helden treten als arme Würschtl in Ich-Position auf. Über eine anonyme Aktion werden sie miteinander bekannt gemacht. Als bei der Wiener Prater-Polizei nächtens ein Anruf eingeht, wonach aus einer der Riesenradkabinen eine schwarze Zunge samt passender Toten-Glotze heraushängt, treffen die beiden Enden dieses Anrufs bald aufeinander. Der eine ist Polizist und wird Unterkircher, Kirche unten oder Churchdown genannt, der anderer ist Klient eines Drogenprogramms und streift als Bogdanovic fotografierend durch die Stadt, wenn er Ausgang hat.

Beide sind nämlich im System gefesselt, wenn auch an verschiedenen Enden. Unterkircher wird ständig von Vorgesetzten, die sich unter-informiert fühlen, an kurzer Leine gehalten, selbst wenn er nach Hause kommt, muss er noch mit dem Säugling spielen, weil die Frau schon am Limit ist. Bogdanovic muss sich seine Ausgänge aus dem Heim mit Drogenprogramm mühsam in Therapiesitzungen zusammenbetteln und mit falschen Urinproben absichern.

Zwischen den beiden steht eine Serie seltsamer Todesfälle, mindestens zwei Sängerinnen eines wundervollen Jahrgangs werden so lange gewürgt, bis die Zunge zum Greifen heraushängt. Als Vertreterinnen einer lebensfernen Musikkultur genießen die Sopranistinnen nicht gerade das hohe Ansehen der Ermittler, manchmal entsteht der Eindruck, dass es gar nicht so falsch ist, wenn dieser Gesang leibhaftig abgewürgt wird wie so manches andere Minderheitenprogramm samt Minderheit.

Die vordergründigen Untersuchungen gehen daher in die Richtung Musikszene, Ausbildung, Sopranistinnen-Biographie. Wie in der hohen Kunst üblich, liegt die Lösung dann auf einem beinahe irdischen Niveau, darf aber hier aus Spannungsgründen nicht verraten werden.

Der eigentliche Erzählhammer dieses satirischen Kriminalromans liegt in seiner perfekten Nachäffung vorgegebener Krimi-Rituale und in der Dekonstruktion erwarteter Muster. Oft wird etwas mühsam aufgebaut, ehe mit einer einzigen Handbewegung alles Erzählte lächerlich wird. An manchen Ecken hört man den Autor direkt seufzen, mit welchem Widerwillen er das Krimigerüst bedienen muss, um dann endlich seine Fratzen mit heraushängender Zunge darin hineinhängen zu dürfen. Und die einzelnen Sätze sind dementsprechend von gnadenloser Genauigkeit und Schärfe.

Eva lachte wie eine Säge. (94)

Die Sopranistinnen sind nur das Schneidbrett, auf dem die Krimiwurst zerschnitten wird für eine Fressi-Fressi-Jause. - So reden Helden, wenn sie sich unbeobachtet fühlen und allein in ihrer Haut sitzen müssen.

Stefan David Kaufer, Sopranistinnensterben, Satirischer Kriminalroman
Wien: Edition Mokka 2016, 280 Seiten, 14,50 €, ISBN 978-3-902693-56-3

 

Weiterführende Links:
Edition Mokka: Stefan David Kaufer, Sopranistinnensterben
Homepage: Stefan David Kaufer

 

Helmuth Schönauer, 29-04-2016

Bibliographie

AutorIn

Stefan David Kaufer

Buchtitel

Sopranistinnensterben. Satirischer Kriminalroman

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Edition Mokka

Seitenzahl

280

Preis in EUR

14,50

ISBN

978-3-902693-56-3

Kurzbiographie AutorIn

Stefan David Kaufer, geb. 1971 in Saarbrücken, aufgewachsen in Innsbruck, lebt in Berlin.