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nadja bee, leseprojekte„Im vorliegenden Band werden einige größere und kleinere interessante Aktionen rund ums Lesen vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei der Bereich Leseerfahrung sammeln, wobei die anderen Teilbereiche des Lesens – wie Sinnerfassendes Lesen, Lesefähigkeit und Lesefertigkeit üben sowie insbesondere auch das Präsentieren gelesener Texte – automatisch berücksichtigt werden. (S. 4)

„Unvergessliche Leseprojekte“ bietet konkrete Beispiele, wie in Volksschulklassen mit interessanten Angeboten und Ideen Leseprozesse gefördert werden können und sich eine stabile Lesekultur aufbauen lässt.

mario hladicz gedichteOft ist der Kosmos eines Gedichtbandes schon im Titel abgesteckt, da gibt es Natur ohne Horizont, dünne Luft in Arkadien, Asteroiden in der Moebius-Schleife. Völlig geerdet ist hingegen ein Projekt, das sich schlicht Gedichte zwischen Uhr und Bett nennt.

Mario Hladicz setzt mit seinen Gedichten unvermittelt ein, kleine Sequenzen, die einem jäh vor die Linse tanzen, sind in Wahrheit vielleicht ein Gedicht, wenn man sich die Mühe nimmt, hinzusehen. Ziemlich kühl in die Abschnitte I, II und III unterteilt erinnern die Gedichte vielleicht an die alten Eisenbahnwaggons, wo es je nach Klasse immer ungefederter zugegangen ist. Die Einteilung könnte aber auch mit innig, halböffentlich und öffentlich gedeutet werden.

marco deramo, die welt im selfieWo Tourismus ist, gibt es auch das Tourismus-Bashing. Das hat damit zu tun, dass alle verunsichert sind, wie sie über ein Phänomen diskutieren sollen, das als Industrie die Ausmaße eines Zeitalters erreicht hat. Jeder mit schlechtem Gewissen findet zumindest immer einen, der noch schlechteren Tourismus betreibt.

Marco d'Eramo geht den Tourismus historisch-philosophisch an und erklärt dadurch, warum wir alle diesen Tourismus auszuhalten haben, der uns alle umspült. Als leidgeplagter Römer kann der Autor journalistische Beigaben in das Handbuch einstreuen, die so manche philosophische Erkenntnis auf den Endverbraucher herunterbrechen. Im Tourismus ist nämlich jeder Endverbraucher, mal als Reisender, als Personal oder als Arbeitsmigrant.

alexander peer, der klang der stummen verhältnisseIn der Lyrik sind die Sinnesorgane oft eigenartig verkabelt, das Gehör ist an die Haut angeschlossen, der Geruchssinn tastet mit den Sohlen den Boden ab, die Netzhaut sitzt am Gaumen und scannt diverse Geschmäcker. Und selbstverständlich funktioniert das alles auch remote, der Leser liegt im Bett und wischt sich den letzten Herbst aus dem Display.

Alexander Peer verknüpft diese Sensoren ungeniert, sodass auch der Titel völlig logisch ist: Der Klang der stummen Verhältnisse. Und in die Texte sind auch die wundersamen Tuschzeichnungen von Moussa Kone eingeflochten, einmal als heftige Schwarz-Weiß-Schnitte, dann aber auch als durchschimmernde Melasse, die von hinten her in die diversen Gedichte vordrängt.

josef oberhollenzer, süratherNichts macht die Menschen so hellhörig und aufmerksam wie ein Gerücht über einen Menschen, den es vielleicht gar nicht gegeben hat.

Josef Oberhollenzer stellt mit Sültzrather den idealen Aufmerksamkeitshelden vor. Sültzrather ist Zimmermann in Aibeln in Südtirol, er stürzt vom Baugerüst und ist querschnittgelähmt. Im Rollstuhl entdeckt er das Schreiben und schreibt sich ein Leben voller Dynamik unter die Schuhe. Später misstraut er seinen eigenen Phantasien und vernichtet alles. Was bleibt, ist ein Gerücht und ein hervorragender Roman.

andreas maier, die universitätAm klügsten sind immer jene Romane, wo sich ein Held aufmacht nach Tirol, durch gute Fügung aber von diesem Wahnsinn abgehalten wird.

Andreas Maier hat seine ersten Romane in Brixen geschrieben, ein Highlight ist dabei der Gerüchte-Roman über die mauschelnde Stadt Klausen. Mittlerweile arbeitet er beharrlich an einer Autofiktion, wo ein ziemlich autobiographischer Held sein bisheriges Leben in genießbare Portionen zerlegt. Dabei unterstützen persönliche Erfahrungen den allgemeinen Sound oder ergänzen diesen, wenn es sich um eine besonders individuelle Erfahrung handelt.

christoph linher, ungemachAlte Bernhard-Leser verlesen sich natürlich, wenn ihnen plötzlich der schroffe Titel „Ungemach“ entgegenfliegt, das hat doch bei Bernhard 1968 Ungenach geheißen?

Christoph Linher kennt natürlich aus der Innsbrucker Germanisten-Zeit seinen Bernhard, und als Sprachmeister weiß er, dass Ungemach eine Literatursorte ist, die in jeder Epoche neu geschrieben werden muss. Der Ich-Erzähler Maurig aus dem Jahre 2017 fliegt auf der ersten Seite aus dem Rechtswesen, als man ihm seine Anwaltslizenz entzieht.

niko hofinger, maneks listenElementare Romane dringen wie eine Naturgewalt in die Kunstbauten des Lesers ein und durchpflügen sein Weltbild und machen ganze Leseflächen instabil.

Niko Hofinger legt mit seinem Roman „Maneks Listen“ alles um, was sich der Leser als stabile Wahrheitspfosten ins Erdreich geschlagen hat. „Maneks Listen“ ist ein Roman der Irritation und der wahren Geschichtsschreibung. Schon der Vorsatz von Mark Twain sagt eigentlich alles: Die Wahrheit ist verrückter als die Fiktion, aber das ist so, weil die Fiktion verpflichtet ist, sich an Möglichkeiten zu halten; die Wahrheit aber nicht.

hermann glettler, fremde gestaltWenn im Land an manchen Tagen nur mehr Krimis und Reiseführer ausgeliefert werden, wird man fast noch katholisch und liest das Buch des neuen Bischofs.

Hermann Glettler stellt sich seiner neuen Diözese mit einem klugen Gesprächsband über den unbequemen Jesus vor. Zu diesem Zweck hat er sich kurz vor Silvester 2017 mit dem Psychiater Michael Lehofer auf die Meditations-Couch gesetzt und vierundzwanzig ausgesuchte Stellen aus der Bibel analysiert.

serhij zhadan, internatDie Dramaturgie der Hölle besteht darin, dass es keine Handlung gibt, nur flächendeckendes Kriegsfeuer, das jederzeit an allen Stellen der Stadt ausbrechen kann.

Serhij Zhadan versetzt seinen Helden Pascha in eine ostukrainische Stadt, die halb verwüstet im Not-Modus mehr vegetiert als funktioniert. Geschildert werden drei Tage, die aber eher als symbolische Zeitangabe zu sehen sind. Die Schöpfung wurde ja seinerzeit in sieben Tagen aufgebaut und zerfällt apokalyptisch in drei Tagen.