Bernhard Aichner, Totenhaus

Müde Schülerinnen, Lehrerinnen und Bibliothekarinnen träumen davon, dass sie etwas gelesen haben, ehe sie eingeschlafen sind, ohne dass sie etwas gelesen haben.

Bernhard Aichners Thriller-Literatur zielt darauf ab, den Menschen ein Gefühl von Lektüre zu vermitteln, ohne dass sie je eine Lektüre betreiben müssen. Nach Totenfrau heißt der neue Roman jetzt Totenhaus, aber der Titel wird ohnehin kaum genannt, man verlangt nach dem neuen Aichner oder, wenn man Aichner-Profi ist, nach dem weißen, nachdem der erste schwarz gewesen ist.

Bernhard Aichner fördert die Diskussion über das Lesen, das Verlangen nach spannender Literatur und die Aussicht nach stillbarem Verlangen mehr als jeder andere Roman. Keine Werbefläche, kein Netzauftritt, kein Sozial-Medium, in denen es dieser Tage nicht von Aichner wimmelte. In den Verkehrsbetrieben werden statt des Herbstfahrplans Aichner-Covers geschaltet, auf Wegweisern geht’s zum Aichner, jeder halbwegs mit versenkbarer Bühne ausgestattete Raum wird demnächst mit Aichner bespielt werden.

Medien, die normalerweise nicht einmal wissen, ob der Buchrücken bei einem Buch hinten oder vorne ist, senden Interviews, in denen der Autor für das Medium angepasste Details zum Besten gibt. In einem Strumpfhosen-Magazin sagt er, dass er zum Schlafen Leggins trägt, in einem Seifen-Magazin erzählt er von seiner grob-porigen Haut beim Schreiben, für die ÖBB verkündet er, dass er überall schreiben kann, aber ihm der Railjet am liebsten ist.

Diese Details münden immer in das Bild eines optimistischen Romantikers, der einen Bestseller auch auf dem Kopf stehend schreiben kann, wenn die Welt auf dem Kopf steht.

In den einschlägigen Beiträgen erfährt man viel Lob über die Textkunst des Autors, vor allem über seine gelungenen kurzen Sätze, die an einen Ingenieur erinnern. Jemand vermutet, dass es sich ähnlich wie bei Sportberichten um Robotertext handelt, unbestritten ist für alle, dass hier ein literarischer Hybrid zum Vorschein kommt, der Buch und taktile Stimmung in einem Aufwaschen vermittelt. In der Elektronik-Branche spricht man von einem Weary, denn den neuen Aichner braucht man bloß am Körper zu tragen, um als Leser alles über sich und sein eigenes Befinden zu wissen.

Vom Inhalt freilich weit und breit keine Spur, außer dass im Umfeld der Heldin Brünhilde Blum in Innsbruck ein Grab geöffnet wird, in dem zu viele Knochen liegen. Alles andere ist spannend, zufällig und das Ergebnis eines Textspiels, bei dem man schaut, was herauskommt, wenn gewisse Wörter verwendet werden.

Bernhard Aichner verschafft dem Land offensichtlich einen neuen Leseschub, lesen wird schon als aichnern bezeichnet, fast jeder von uns hat dieser Tage schon geaichnert. Und das Schöne für den Kopf, er braucht sich nichts zu merken, beim Aichnern gibt es nämlich keinen Content , nur Performance.

Bernhard Aichner, Totenhaus. Thriller. (Aus der Reihe: Die Totenfrau-Trilogie).
München: btb Verlag 2015, 416 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-442-75455-7

 

Weiterführende Links:
Btb Verlag: Bernhard Aichner, Totenhaus
Wikipedia: Bernhard Aichner

 

Helmuth Schönauer, 30-08-2015

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Aichner

Buchtitel

otenhaus. Thriller

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

btb Verlag

Reihe

Die Totenfrau-Trilogie

Seitenzahl

416

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-442-75455-7

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Aichner, geb. 1972 in Osttirol, lebt in Innsbruck.