Felix Römer, Verhinderter Held

Im Poetry Slam ist zwar jeden Tag die Hölle los und man weiß nie, wie der Abend ausgeht, die Heldinnen und Helden freilich reisen meist mit einer persönlichen Lyrik-Bibel an, die sie sich selbst geschrieben haben.

Felix Römer ist zwischen den Auftritten mit handfester Lyrik unterwegs, die papierene Brücke zum Publikum ist als lyrische Kampfschrift im Umlauf. Nach längeren Episoden ist jeweils ein QR-Code abgedruckt, durch den man rasch zu den mündlichen Realisationen des eben gelesenen Textes gelangt.

Wie zur Verhöhnung der klassischen Lyrik gibt der Gedichtband wohl geordnet drei Kapitel vor, die vor allem das junge Heldentum, die ungewisse Liebe und die mechanisch ablaufende Welt zum Inhalt haben.

Blaupause // Ich trank so lange, bis ich nüchtern war / Ich wachte mir den Schlaf aus dem Leib / Ich schlug meinen Kopf so lange an die Wand, bis das Denken nachließ / Ich stieß so lange, bis ich glaubte, dass ich liebte / Laut lachend und vor Schmerzen schreiend, lebte ich mich beinahe zu Tode (28)

Das lyrische Ich ist wild, ungehemmt und ungebrochen wie ein romantischer Stern, der noch in dieser Nacht verglühen muss. Während die Gefühle in massigen Ballen durch die Szenerie rollen, entwickelt sich ein Katalog von No-Gos mit der abschätzigen Kommentierung „Dann ist aber Schluss!“ Reimen, sich in ein falsches lyrisches Licht stellen, Saufen, in den Park pissen, Maßlosigkeit, blöde Vorgaben Altvorderer abzuarbeiten, das geht gar nicht, da ist aber Schluss. Und wie dem Reim zufleiß gibt es dann ein gereimtes Liebesgedicht nach dem Versmaß schlau, dumm, laut, stumm.

Dem Herbst wird selbstverständlich ironisch Tribut gezollt, „er laubt“, der Herbst, der Baum, schließlich ist aller erlaubt. (29)

Leidenschaft, ich liege wach, zu tief zum Schwimmen zeigen einen lyrischen Helden, wie er seit Jahrhunderten leidet, wenn es um die Liebe geht.

Dagegen wirken die „Allerweltsgedichte“ am Ende fast wie verlässliche Haltegriffe in einer schwankenden Welt. Relativitätstheorie, Kamel; Chaos total und One-Night-Stand treten hintereinander auf und haben gerade deshalb viel mit einander zu tun. Das Zufällige wird zum Programm, wenn es ein Vorher und ein Nachher gibt. Und versagt einmal das Programm, wird eben die gute alte Handarbeit in der Erotik ausgepackt, in dieser Nacht wird es mit der Hand gemacht.

Felix Römers Gedichte sind heftig, witzig und ungeniert. Während eine Parole ausgegeben wird, wird sie auch schon wieder zurückgenommen, die Helden legen sich ins Zeug, als ob jede Nacht die letzte Schlacht angesagt wäre, und Ruhe ist nicht in Sicht. Dabei beten die Gedichte ab und zu direkt, dass es einmal stiller wird, vielleicht herbstlich, aber die Helden werden es nicht mehr erleben, sie müssen jung sterben, zumindest heute.

Felix Römer, Verhinderter Held. Mach doch! Aber wenn nicht, halt die Fresse. Lyrische Alltagsbewältigungen.
Berlin: Satyr Verlag 2015, 89 Seiten, 10,90 €, ISBN 978-3-944035-54-3

 

Weiterführender Link:
Satyr Verlag: Felix Römer, Verhinderter Held

 

Helmuth Schönauer, 23-08-2015

Bibliographie

AutorIn

Felix Römer

Buchtitel

Verhinderter Held. Mach doch! Aber wenn nicht, halt die Fresse. Lyrische Alltagsbewältigungen

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Satyr Verlag

Seitenzahl

89

Preis in EUR

10,90

ISBN

978-3-944035-54-3

Kurzbiographie AutorIn

Felix Römer, geb. 1979, aufgewachsen in Marburg, lebt in Berlin.