Hans Augustin, Der Fälscher

Die Fälscherei ist genaugenommen das größte Betätigungsfeld, das sich ein Mensch aussuchen kann. Denn in jedem Beruf, bei jedem Kunstwerk, in jeder Aussage kann es zu einer Fälschung kommen. Voraussetzung für eine gelungene Fälschung ist, dass man vom sogenannten Richtigen eine Ahnung hat.

Hans Augustin legt seine Figuren immer an jene Kippe zwischen falsch und wahr, woran letztlich die Helden und die Leser gleichsam scheitern. Denn gerade die Wahrscheinlichkeit, dass das Wahre falsch ist und umgekehrt, macht eine eindeutige Erkenntnis schier unmöglich.

In der Titelgeschichte emigriert ein Fälscher aus einem sibirisch-russischen Land. Er hat alles als Fälschung vorbereitet, die Dokumente, die Banknoten und auch die Glücksvorstellungen vom neuen Leben. Gerade als das Schiff zur Flucht im Hafen anlegen soll, droht seine Mission durch einen Gegenfälscher zu scheitern.

Seiner Frau wird eine miese Fälschung eines Geldscheins angedreht, der offensichtlich von einem Funktionär unters Volk gestreut worden ist. Erst mit viel Geld, das ebenfalls aus Fälschungen besteht, lässt sich die Sache aus der Welt schaffen, und der Fälscher fliegt mit einem gefälschten Ticket aus dem Land. Wenn alles gefälscht ist, kommt es auf die Qualität drauf an. Eine gute Fälschung muss immer besser als das Original sein, damit es für das Original gehalten werden kann.

- Eine verrückte Lebensphilosophie.

In kürzeren Fälschungs-Geschichten geht es um einen Moderator, der während der Sendung Zeuge eines Verbrechens wird. Selbst die Polizei hält die Schüsse aus einem Hörspiel für echt und schreitet live zu einem imaginären Tatort.

In einem biblischen Retro-Flash taucht Gott wieder einmal auf, um die Schöpfung zu begutachten. Die Presse hyperventiliert und druckt die Schlagzeile „Wo warst du Gott?“. Aber als der Erwartete wieder einmal nicht erscheint, wird ein Fremder gesteinigt, damit die hysterischen Massen nicht umsonst zusammengekommen sind.

Ein Unternehmer sucht 27 Cent in seinen Abrechnungen und legt dabei eine vernichtende Bilanz. Ihm ist das Wirtschaftssystem über den Kopf gewachsen, er kann nicht mehr aussteigen, alles ist falsch, selbst die Begriffe, mit denen in der Wirtschaftswelt herumgeworfen wird, besagen am Ende nichts.

Ein anderer Unternehmer, Direktor eines Schlachthofes, kommt unabsichtlich oder nicht in die Mühlen der Schlachterei und endet als zwei Schweine-Hälften im Kühlraum.

Ein dynamischer Hobbysportler lässt sich untersuchen und in seinem Herzen entdeckt man einen Fingerhut-großen Herz-Läufer, der sich zwischendurch an die Herz-Wand lehnt und ausruht.

Eine Engelmacherin tut ihre Arbeit, und sagt während der Abtreibung „schade um dich, hättest ein schönes Leben haben können“ (88). Dann stirbt auch die Mutter, die Engelmacherin trottet am Sarg hinterher und bedauert, dass sie das Abtreibungshonorar nicht mehr eintreiben kann. Am Schluss schaut sich ein Ich-Erzähler selbst zu, wie er in der Prosektur zerlegt wird.

Hans Augustins Geschichten kippen, während sie das Unwahrscheinliche erzählen, in eine andere Realität, in der die zu verhandelnden Werte wieder neu ausgespielt werden müssen. – Geschichten für schwindelfreie Leser!

Hans Augustin, Der Fälscher. Geschichten für die Zeit danach.
Wien: Kyrene 2013, 109 Seiten, 12,50 €, ISBN 978-3-902873-20-0.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag
Wikipedia: Hans Augustin

 

Helmuth Schönauer, 17-06-2013

Bibliographie

AutorIn

Hans Augustin

Buchtitel

Der Fälscher. Geschichten für die Zeit danach

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Kyrene-Velag

Seitenzahl

109

Preis in EUR

12,50

ISBN

978-3-902873-20-0

Kurzbiographie AutorIn

Hans Augustin, geb. 1949 in Salzburg, lebt seit 1976 in Tirol.