Hans Platzgumer, Trans-Maghreb

Eine Novelle muss uns eine unerhörte Begebenheit nahebringen, die uns vielleicht sogar nahe geht.

Hans Platzgumer stellt mit seiner Novelle vom Bauträger Anton Corwald vielleicht eine neue Gattung vor, nämlich die literarische Nachbearbeitung einer internationalen Nachricht. Zu diesem Zweck installiert er eine so genannte Rahmenhandlung, die darin besteht, dass der Ich-Erzähler, ein 38-jähriger Bauingenieur, sich zu Hause in Wien mit jeder Menge Ottakringer ansäuft und auf seine Mama wartet, dass sie ihm die Wohnung putzt.

Während des Andudelns glaubt er im Fernsehen die Leiche des Bauträgers Anton Corwald zu sehen, wie diese anlässlich der Libyschen Revolution im März 2011 an den Strand gespült wird. In unzähligen Flashes wird der Erzähler nach Libyen zurückgebeamt, wo dieser am Bau der Eisenbahnlinie Trans-Maghreb mitgewirkt hat und ihm nach einem Internierungs-Aufenthalt gerade noch die Flucht gelungen ist.

Je mehr das Ottakringer in der Gegenwart wirkt, umso heftiger werden die Erinnerungen an den Wüsteneinsatz, der von einem diffusen Bau-Konsortium unter Führung des St. Pöltner Bauträgers initiiert worden war.

Anton Corwald war kein Mann, der sich von Gewissensbissen quälen ließ. Er tat, was getan werden musste und wechselte intuitiv auf die Gewinnerseite. (24)


Der Ich-Erzähler landet im Vollrausch in Libyen, wo es ja offensichtlich nichts mehr zu trinken gibt. Als er nüchtern ist, lernt er das Land vom Rand her kennen. Die Wüste ist vermüllt, der Verkehr abenteuerlich, das Grundwasser wird hemmungslos ausgebeutet wie Öl, und dennoch ist Öl billiger als Wasser. Die zu bauende Trans-Maghreb erweist sich als Spekulations-und Prestigeprojekt von Anlegern und Politikern.

Bald einmal tritt eine gewisse Unruhe auf, der Bautrupp wird in einem Lager eingesperrt, worin die sonst so selbstbewussten Bauherren rasch in einem Koller abtauchen. Manche werden nach Europa ausgeschifft, einige enden offensichtlich als Leiche im Fernsehen.

Der Ich-Erzähler wird immer weinerlicher, als er seiner Mutter von seinem Wüsteneinsatz berichtet, und dennoch steht schon der nächste Einsatz ins Haus: „Polen also. Meine nächste Wüste.“ (91)

Hans Platzgumer erzählt rund um eine tote Figur von allerhand westlichen Abenteurern, die mit ihren Milchgesichtern im Ausland die sinnlosesten Projekte in Angriff nehmen und es zu Hause nur zu einem Ottakringer mit Mama bringen. Die Abenteuer bestehen aus Schlitzohrigkeit und a-politischem Auftreten. Die Helden verstehen nichts von ihren Einsatzorten und treiben dort wie Müll durch die Wüste. – Eine sehr hintergründige Art, eine scheinbar x-beliebige Nachricht auf dem Bildschirm in eine handfeste Story mit Schicksal zu verwandeln.

Hans Platzgumer, Trans-Maghreb. Novelle vom Bauträger Anton Corwald
Innsbruck: Limbus 2012. 118 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-902534-55-2.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Hans Platzgumer, Trans-Maghreb
Homepage: Hans Platzgummer

 

Helmuth Schönauer, 01-03-2012

Bibliographie

AutorIn

Hans Platzgumer

Buchtitel

Trans-Maghreb. Novelle vom Bauträger Anton Corwald

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Limbus-Verlag

Seitenzahl

118

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-902534-55-

Kurzbiographie AutorIn

Hans Platzgumer, geb. 1969 in Innsbruck, lebt als Musiker, Komponist und Schriftsteller in München und am Bodensee.