Herbert Rosendorfer, Finsternis
Das bäuerliche Volksstück funktioniert in der Hauptsache als Karikatur und Groteske, obwohl es an manchen Bühnen im Glauben an die Renaissance des Genres durch Felix Mitterer immer noch ernst aufgeführt wird.
Herbert Rosendorfer lässt keinen Zweifel, wie er das Stück von der Finsternis in alpinen Landen haben möchte: als Karikatur zum bürgerlichen Trauerspiel, nennt er sein dunkles Erleuchtungsstück „bäuerliches Trauerspiel“. Gleichzeitig ist das Stück durchaus als Lesestück geplant, der Autor misstraut dezidiert dem Aufführungs-Getue, indem er etwa in der Regieanweisung schreibt: „bin neugierig, ob sich der Bühnenbildner daran hält.“ (9)
Der Zweiakter spielt im Tiroler Dorf Kösten am See um 1850. Die Aufklärung ist noch nicht recht ins Gebirge gekommen, die Berg-Aborigines glauben an Scharlatane und Wunder jeglicher Art. Wer von außen kommt, wird feindselig angestarrt und aus dem Dorf gejagt.
Das große Thema Aufklärung wetzt sich in dieser Gegend noch immer die Hörner ab, denn hier wird generell alles als Teufelswerk angesehen, was sich nicht kuttig deuten lässt.
Die alte Rosa hat ein geschäftstüchtiger Trupp zu einer Stigmatisierten aufgebaut, die mit Facken-Blut geschminkt wird und außerdem schon seit Jahren nichts mehr außer Hostien gegessen haben soll. Warum sie dann trotzdem scheißt, will ein aufmüpfiger Bauer wissen, wird aber abgedrängt.
An anderer Stelle kommt es zu einem Wunder, weil drei mumifizierte Franzosen aus dem großen Freiheitskrieg 1809 zum Vorschein kommen und die Erinnerung an die Erlösung von der Erlösung noch einmal aufkommen lassen.
Tragende Figur der Aufklärung ist ein gewisser Dr. Grau, der dem absonderlichen Treiben kopfschüttelnd zuschaut. Als Protestant ist er sofort verdächtig, und dass er auch noch denken kann, macht ihn abscheulich. Gerade als man ihn aus dem Dorf abschieben will, stellen sich seine Kontakte zum Baron heraus, der ihn als Freigeist empfängt.
Das Trauerspiel erfährt seinen Höhepunkt, als sich die Stigmatisierte selbständig macht und mit dem Geld der Wunder-Gläubigen abhauen will. Stracks wird sie umgebracht und der Leichnam versteckt, sie soll nämlich als Ganzes in den Himmel aufgefahren sein.
Am Schluss gibt es dann die obligate Purgatio und der kluge Dr. Grau verlässt das höllische Tirol mit den Worten: „Finsternis, Finsternis.“ (71)
Herbert Rosendorfer karikiert mit dumpfen Schwarz-weiß-Figuren die Tiroler Seele, die im Zweifelsfall lieber einem Scharlatan oder politischen Guru vertraut als dem eigenen Kopf. – Witzig zu lesen und sicher grausam entlarvend, wenn es auf die Bühne kommt.
Herbert Rosendorfer, Finsternis. Bäuerliches Trauerspiel in zwei Akten.
Bozen, Wien: folio 2013. 72 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85256-620-7.
Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Herbert Rosendorfer, Finsternis
Wikipedia: Herbert Rosendorfer
Helmuth Schönauer, 19-03-2013