Manfred Mixner, Verstrickt in Geschichten

Im Hotel Ibis Mariahilf in Wien schaute ich vom zwölften Stock aus dem Vorrücken des Tageslichts um Lichtmess zu, während ich mich als Rezensent in Manfred Mixners Geschichten verstricken ließ.

Ungefähr in diesem Stil erzählt Manfred Mixner von den Stricken des Literaturbetriebs, in die er mehr oder weniger freiwillig geraten ist. Der literarische Ort macht die Literatur, heißt seine These, und sowohl für Leser als auch für Autoren ist es entscheidend, wo sie gerade ihrer Tätigkeit nachgehen. Aus diesem Grund betont Mixner auch mehrmals, dass er in einem Blockhaus lebt, was offensichtlich seinen Zugang zur Literatur maßgeblich beeinflusst.

Wie es für den Leser gute und schlechte Lagen gibt, profitieren auch die Autoren von dem Gemenge, das sie literarisch umgibt. So war Graz eine Zeit lang die literarische Stadt, in der quasi wie von selbst die aus dem Land zugereisten Autorinnen und Autoren zu schreiben begannen. Ähnlich starke literarische Städte sind Triest oder Prag, während Wien zwar viele literarische Orte aufweist aber kein literarisches Klima produziert.

Überhaupt sind Städte oft wie ein Buch zu lesen, darin stimmt Manfred Mixner mit Michel Butor überein, der die Stadt als Text auffasst.

Überzeugend ist auch Mixners These, wonach in den sechziger Jahren plötzlich drei Generationen nebeneinander fulminant aufgebrochen sind, die einen haben den Krieg schreibend nachgeholt und die Traumen formuliert, die zweiten waren frustriert, dass auch ohne Krieg das Leben nicht besser geworden war, die dritten haben trotz Wiederaufbaus den geistigen Fortgang des Krieges bemerkt. Aus diesen dicht aneinander gedrängten Geisteshaltungen entwickelt sich die Aufbruchsliteratur eruptiv, wobei das Schreiben als Methode der erlösenden Kommunikation empfunden wird.

Ein Großteil der Aufsätze und Reden Manfred Mixners beschäftigt sich mit dem beruflichen Zugang zur Literatur als Hörspielregisseur und Wortredakteur. Die skurrilen Überschreitungen der Sendezeit durch einen Altmeister, das Versickern von Worten vor dem Mikrophon, das Erarbeiten einer passablen Stimme sind noch lange vor dem Boom der Audio-CDs wahre Abenteuer im Landesstudio Graz oder in den Sendezentralen in Wien und Berlin.

Den Sinn eines vorgelesenen Satzes kann der Zuhörer nur verstehen, wenn der Sprecher den Sinn dieses Satzes im Augenblick der Artikulation in seinem Bewusstsein vollzieht. (160)

Manfred Mixners Episoden aus einer glanzvollen Zeit des literarischen Aufbruchs und der akustischen Challenge vermitteln aus der Erinnerung ein harmonisches Literaturgefüge, das bei seiner Darbietung in Echtzeit vermutlich bei weitem nicht so harmonisch ausgefallen ist.

Manfred Mixner, Verstrickt in Geschichten. Versuche, Reden, Miszellen.
Graz: Keiper 2012. 173 Seiten. EUR 16,50. ISBN 978-3-9503343-0-2.

 

Weiterführender Link:
Edition Keiper: Manfred Mixner, Verstrickt in Geschichten

 

Helmuth Schönauer, 06-02-2013

Bibliographie

AutorIn

Manfred Mixner

Buchtitel

Verstrickt in Geschichten. Versuche, Reden, Miszellen

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition Keiper

Seitenzahl

173

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-9503343-0-2

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Mixner, geb. 1947 in Graz, lebt in Berlin und Südschweden.