Marlene Schwarz, Catania

In der Literatur gibt es oft ein strenges Ranking verschiedener Nachrichten. So muss fallweise eine Verwandtschaftsbeziehung einem Text vorausgestellt werden, damit sich die Leserschaft anschließend voll auf den Text konzentrieren kann.

Im Falle von Marlene Schwarz muss man einfach wissen, dass sie die Schwester von Herbert Rosendorfer ist, und dieser beschreibt jene in einem Vorwort als die Strukturierteste und Emsigste unter den Geschwistern.

Marlene Schwarz fixiert ihren Roman Catania in einer Rahmenhandlung. Während einer Kartenpartie in München taucht ein Blumenverkäufer auf und erweckt im Ich-Erzähler ein seltsames Erinnerungs-Wummern, und schon sind wir alle mitten im Roman.

Im Sinne eines Anti-Tourismus-Romans berichtet der männliche Ich-Erzähler, wie er seine Frau auf eine Dienstreise nach Sizilien begleitet und dort quasi das Prinzenprogramm des Veranstalters mitmacht. Denn während seine Frau Referate und Exkursionen abwickelt, bleiben dem Erzähler vor allem die Unannehmlichkeiten im Gedächtnis. Müll, der überall auf die Straße geworfen wird, schlechte Verkehrsverbindungen, und Bars, die immer dann geschlossen sind, wenn Durst ausbricht. Auch das Grab des Komponisten Bellini ist unzugänglich, weil gerade eine Insider-Veranstaltung läuft.

Höhepunkt dieses Desasters ist ein Besuch auf dem Ätna, wobei die Touristengruppe in kleinen Scharen mit dem Helikopter um das Kraterloch geflogen wird. Bei dieser Gelegenheit geht auch die Frau verloren und kommt erst ziemlich spät mit allerlei Ausreden ins Hotel zurück.

Der zweite Teil spielt auf dem Tragflügelboot nach Malta, wobei sich eine Gruppe Sizilianer seltsam benimmt. Ein sogenannter Fürst drängt sich in den Vordergrund, er wickelt dunkle Geschäfte ab und erklärt ständig die wahre Welt der Sizilianer. Mittlerweile geht der Roman wieder vollends in die Rahmenhandlung über, denn je mehr der Blumenverkäufer dem Kartenspieler erklärt, umso offensichtlicher wird der beinahe unglaubliche Zusammenhang. Beide Männer, die sich über eine vergangene Reise auslassen, waren in dieselbe Frau verliebt, die mittlerweile auf mafiöse Art verschwunden ist. - Jetzt aber werden die Verlassenen zu echten Sirs und beenden ihre gemeinsame Geschichte mit Verve.

Marlene Schwarz erzählt das scheinbar Bekannte mit einer Abschrägung, die überall einen Hintersinn erahnen lässt. Je verbohrter die Figuren ihrem Tagesablauf huldigen, umso mehr sprengt ihnen die Geschichte die Logik aus dem Sinn. Phantastische Elemente, Verschwörungen und ein Glanz von Historie und Verschwiegenheit übernehmen plötzlich das Ruder. Als Leser sitzt man dieser raffinierten Geschichte auf wie ein Gehörnter, der bis zum Schluss nichts mitkriegt. – Eine wunderbare Verschwörung der Erzählkunst.

Marlene Schwarz, Catania. Roman. Mit einem Vorwort von Herbert Rosendorfer.
Innsbruck, Wien: Kyrene 2012. 112 Seiten. EUR 10,90. ISBN 978-3-900009-94-6.

 

Weiterführender Link:
Kyrene-Verlag

 

Helmuth Schönauer, 30-04-2012

Bibliographie

AutorIn

Marlene Schwarz

Buchtitel

Catania

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Kyrene-Verlag

Seitenzahl

112

Preis in EUR

10,90

ISBN

978-3-900009-94-6

Kurzbiographie AutorIn

Marlene Schwarz, geb. 1940, lebt in München.