Paul Flora, Karikaturen

Das Publikum sieht oft etwas ganz Anderes in den Bildern, als es der Urheber vielleicht gedacht hat. So sagen die Tiroler jedenfalls zu allem, was wie eine Federzeichnung ausschaut, Karikatur, weil sie die Welt meist als Federzeichnung empfinden.

Paul Flora hat immer gelitten, wenn man ihn auf die Kunst eines Karikaturisten heruntergebrochen hat. Zu Recht hat er immer darauf verwiesen, dass die Karikaturen nur einen eingeschränkten Zeitraum seines Lebens an Aufmerksamkeit verschlungen haben.

In der Flora-Karikaturen-Ausstellung im Landesmuseum wird auf diesen Umstand extra hingewiesen und man huldigt dem Wunsch Paul Floras und nennt das Ganze oft: Gezeichnete Politik, im doppelten Sinn des Wortes, nämlich gezeichnet und von der Politik gezeichnet.

Das Rätsel Paul Flora hat immer mit der gezeichneten Entfernung zu tun. Im denkbar kleinsten Ort Tirols geboren sitzt er später ein halbes Jahrhundert auf Innsbruck drauf und zeichnet sich von der Hungerburg aus in die Welt hinein. Einem Provinz-Konglomerat wie Bonn kann man nur von der Provinz aus begegnen, weshalb der Tiroler Paul Flora der ideale Beobachter der Adenauer-Szenerie wird.

Viele dieser politischen Aufrüstungen kommen, nachdem sie Paul Flora „vorgezeichnet“ hat, später nach Tirol und werden als etwas Weltgewaltiges gefeiert.

Im ersten Teil der „Karikaturen“ gehen Zeitgenossen und Freunde diversen Fragen nach, die sich beim Anschauen der Zeichnungen stellen. Welche Themen trieb die gezeichnete Politik um? Ist Paul Flora überhaupt ein Satiriker? Welche Literatur steckt hinter den Bildern? Was machen die Feinde, wenn sie gezeichnet sind?

Im Katalog-Teil kommen dann diese Figuren zum Vorschein, die oft nicht einmal fünf Striche haben, wie ein Entwurf zu einer „Hügel-Zeichnung“ beweist. Hier stellen sich ganz andere Fragen, wie stelle ich Schmutz dar? Wie wird eine Friedenstaube kriminell? Kann aus dem Damokles-Schwert ein Damokles-Sack werden?

Das Publikum schaut und schaut, über Jahrzehnte hinweg. Je älter die Karikaturen werden, umso mehr Geschichten lösen sie aus, Karikaturen sind ja oft nur Handbewegungen, die den zeitgenössischen Stoff mit Strichen unterlegen. Für die Zeitgenossen kämpfen diese Bilder gegen das Vergessen, für die Nachfahren der gezeichneten Zeit sind sie historische Hirschknöpfe, die die Tracht der Vergangenheit schmücken.

Natürlich ist der Kosmos Paul Floras viel größer als der dargestellte Kosmos im Katalog. Aber der Künstler hat es immer verstanden, Gedanken aus einer noch so kleinen Standfläche heraus zu entwickeln. Und wie Paul Flora aus dem kleinen Land hinausragt, ragen auch seine Gedanken aus dem Katalog hinaus wie ein gigantisches Daumenregister, mit dem man die größten Kapitel aufschlagen kann.

Paul Flora, Karikaturen. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 30. September 2016 - 26. März 2017, Redaktion: Helena Pereña, Astrid Flögel
Innsbruck: Haymon 2016, 592 Seiten, 34,90 €, ISBN 978-3-7099-7248-9

 

Weiterführender Link:
Haymon Verlag: Paul Flora, Karikaturen
Wikipedia: Paul Flora

 

Helmuth Schönauer, 22-11-2016

Bibliographie

AutorIn

Paul Flora

Buchtitel

Karikaturen. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 30. September 2016 - 26. März 2017

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Haymon Verlag

Herausgeber

Helena Pereña / Astrid Flögel

Illustration

Paul Flora

Seitenzahl

592

Preis in EUR

34,90

ISBN

978-3-7099-7248-9

Kurzbiographie AutorIn

Paul Flora, geb. 1922 in Glurns, starb 2009 in Innsbruck.