bernhard setzwein, kafkas reise durch die bucklige weltAufregende Vorstellung: Franz Kafka hat 1924 seinen Tod nur vorgetäuscht, ist untergetaucht, hat die Nazis überlebt und erscheint nach 1945 in Meran, wo er im Apollo-Kino Karten abreißt. Als Qualifikation für diese Tätigkeit dient ihm die eigene Erzählung vom Türhüter, welcher bekanntlich streng darauf achtet, dass niemand Falscher das Gebäude betritt.

Bernhard Setzwein schöpft mit seinem Roman „Kafkas Reise durch die bucklige Welt“ in vollen Zügen aus dem Mythos „Kafkaniens“. In diesem Reich halten sich das Groteske, Bürokratische und Entgleiste die Waage. Südtirol ist als wundersamer Fixpunkt verankert: Seit 1920 Franz Kafka eine schwere Depression in Meran zu lindern versucht, wird in der Literaturszenerie diese Kurstadt zum Inbegriff für schwermütige Heilungsversuche.

hans martin krämer, geschichte japans„Das vorliegenden Buch ist […] keine antiquarische Historie, sondern geht genealogisch von der japanischen Gesellschaft und Kultur im globalen Kontext aus, wie sie sich uns heute präsentiert, und sucht deren Entstehung historisch zu erhellen. Dabei gebührt der vormodernen Geschichte eine ausführliche Behandlung, allein schon, weil sie Referenzpunkt zahlreicher Identitätsaussagen in der Gegenwart ist.“ (S. 8)

Hans Martin Krämer bietet in seinem Sachbuch einen kompakten Überblick über die Geschichte Japans von ihren Anfängen bis in die Gegenwart und zeigt dabei die wichtigsten Stationen der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung des Landes. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die wechselseitigen Beziehungen im engeren wie globalen Umfeld gelegt.

alexandra bernhardt, zoon poietikonManche Begriffe fußen glücklicherweise immer noch auf menschlicher Intelligenz, sie lassen sich auch durch penetrante Anrufung nicht von der Google bewältigen. Gibt man also „Zoon poietikon“ ein, so wird daraus ein „politikon“, das sich hartnäckig über dem gesuchten Begriff einnistet.

Alexandra Bernhardts Gedichte stützen sich auf dem Kanon der Lyrik, wie er in leichter Veränderung seit Jahrhunderten tradiert wird. Verszeilen aus dem Griechischen, Renaissance-Sonette, der Schalk der Romantik und die Süße des Sprachspiels sind als Schattierungen quasi in jedem Gedicht verborgen. So lassen sich ihre Texte stets zweifach lesen, einmal als ihr Original, wie es einer Tagesverfassung entsprungen ist, und einmal als Zitat für ein literaturhistorisches Setting, das dadurch geadelt und für weitere Jahrhunderte gerettet wird.

ulrichc schlotmann_vivat vivat hoher priesterDen dauerhaftesten Eindruck erwecken meist jene Bücher, die beim ersten Durchblättern als Anstrengung empfunden werden. Der erste Eindruck, nämlich – fett, schwer, barock und schelmisch verzweigt – bleibt ein Leben lang, auch wenn sich später in der Lektüre zunehmend konkret fixierter Sinn einstellt.

Ulrich Schlotmann legt jedenfalls ein fettes Buch vor, wie das in der Rezeptionsästhetik gerne genannt wird. Schon im ersten Satz ist alles klar, was ja kein Wunder ist, es gibt nämlich nur einen Satz, welcher sich absatzlos auf fast dreihundert Seiten erstreckt. Am hinteren Cover wird dieses Textgebilde als „Wort- und Satzprozession“ empfohlen.

friedrich hahn, wie ich zu willi wurdeDer Literaturbetrieb ist auf Krawall gebürstet und auf Events, Preise und Präsentationen ausgerichtet. In literarischen Talkshows kommen Themen mit der Halbwertszeit einer Woche zur Sprache. Und auch die Verweildauer eines Buches in der öffentlichen Wahrnehmung geht selten über eine Woche hinaus. Aber was passiert eigentlich mit Autoren und Lesern, die keine öffentliche Resonanz erfahren, außer dass sie gegendert werden?

Friedrich Hahn schreibt tapfer Jahr für Jahr seine Romane, die letztlich das eine Thema haben: Wie gestalten unauffällige Helden ihr Leben, dass es aufregend erträglich bleibt? Vor der gleichen Frage stehen die Leser, die Jahr für Jahr die Romane des Friedrich Hahn mitlesen und sich dadurch Kraft holen für ihr eigenes Leben, das sie unauffällig erträglich angelegt haben.

gerhard altmann, nord-mitte-süd - mein burgenlandIn der globalisierten Tourismusindustrie sind viele Wahrnehmungsfelder eingespannt als Hilfswissenschaften, um die Nächtigungen am Laufen zu halten. Selbst die Poetik, seit den Griechen für den Eigengebrauch empfindsamer Seelen entwickelt, scheint in manchen Landstrichen ohne touristischen Aspekt undenkbar zu sein.

Gerhard Altmann legt sich für den Eigengebrauch heimischer Seelen aus diesem Grund ein poetisches Notizbuch zu, worin das eigene Land vermessen, besungen und gewürdigt wird ohne jenen Zwang, daraus etwas Geschäftliches zu generieren.

felix philipp ingold, die zeitinselpätestens seit Daniel Defoe gilt ein entlegenes Eiland als ideale Erzählfläche, um darauf Lebens- und Weltentwürfe spielen zu lassen. Wenn diese Insel dann noch einer definitiven Zeit entrückt wird, indem quasi jede Zeit auf der Insel Platz hat, dann erweist sich die „Zeitinsel“ als höchst verdichtetes Material, das astrophysikalisch vielleicht an ein schwarzes Loch herankommt.

Felix Philipp Ingold konstruiert seine Zeitinsel als Kunstfläche, auf der sich Projekte, Biographien, Spintisierereien und Träume installieren lassen. Im Untertitel nennt er dieses Unterfangen „Stationenbericht“, es könnte also mit einer kultur-sportlichen Veranstaltung verglichen werden, auf der man sich während des Rundlaufs allerhand Stempel ins Lektüreheft stempeln lässt als Beleg, dass man die Stationen aufgesucht hat.

anton prock, die tiroler habsburger„Wer heute durch Innsbruck schlendert, stößt auf zahlreiche Erinnerungen an die einstigen Landesfürsten. Der Neuhof, verschiedene Klöster, der Vorgängerbau der heutigen Hofburg, Schloss Ambras, die Jesuitenkirche, die Mariahilfkirche, der Leopoldsbrunnen, das Grabmal Erzherzog Maximilians III. des Deutschmeisters im Dom sowie seine Eremitage im Kapuzinerkloster und vieles mehr zeugen von ihrer Herrschaft. (S. 8)

Über knapp 260 Jahre bestimmten die Tiroler Habsburger über Tirol und die Vorlande, dem habsburgischen Streubesitz westlich des Arlbergs. Damit erlebte die Grafschaft Tirol zahlreiche Veränderungen, wie z.B. die Verlegung des Regierungssitzes von Meran nach Innsbruck, das als Zentrum der Politik und als Schnittstelle in alle Himmelsrichtungen in dieser Zeit stark an Bedeutung gewinnen konnte.

elias schneitter, zirler bluesBlues ist eine Lebensstimmung, die sich über eine ganze Jahreszeit, einen Landstrich oder einen kompletten Ort legen kann. Elias Schneitter hat als Erforscher und Herausgeber von Beat-Literatur den Blues quasi am Wegrand geerbt, denn die Grenzen zwischen den beiden Künsten der Peripherie (Beat und Blues) sind fließend.

Obwohl es sich beim Tiroler Ort Zirl um einen berüchtigten Sonnenort mit historischen Weinbergen handelt, sind seine Bewohner durchaus anfällig für eine blaue Stimmung der Melancholie. In diesen Phasen ziehen sich die Menschen auf das Innerste zurück und suchen nach altbewährten Ausdrucksformen, die auf archaischen Gesellschaften fußen. Das können alpine Urlaut-Kompositionen sein, markante Riffs von Beatniks, oder eben Haikus, die den Transport aus dem Japanischen halbwegs überlebt haben.

sabine gruber, die dauer der liebeFür Frauen, die sich ein Leben lang einen autonomen Status geleistet haben, kommen am Lebensabend meist zwei Schocks angetanzt. Zum einen ist es die Aussicht auf eine miese Pension, wenn nicht pausenlos im gewerkschaftlichen Sinn gearbeitet worden ist, zum anderen ist es das Nachlassgericht, wenn die Behörde feststellt, dass es ohne Trauschein kein Erbverhältnis mit dem verstorbenen Partner gibt.

Sabine Gruber setzt mit jenem Knalleffekt ein, der die „Dauer der Liebe“ zu beenden weiß: mit dem Tod des Partners. Der Protagonistin Renata wird nach ungestümem Anklopfen an der Wiener Wohnung durch die Polizei mitgeteilt, dass ein gewisser Konrad gestorben sei. Seine Familie wohnt in Innsbruck, und genaueres werde sie dort erfahren.