Robert Bober, Was gibt’s Neues vom Krieg?

Die ersten Worte, die nach einem Unglück von den Überlebenden ausgestoßen werden, klingen für sich genommen immer sinnlos und wirken grotesk. Was erst sollen Überlebende sagen, die als Juden in Paris gerade den Krieg, die Nazis und die Vernichtung überlebt haben?

In einer Schneiderei für Damen-Nachkriegsmode in Paris kommt allmählich das Leben wieder in Gang. Manche haben schon Geld für eine Maßanfertigung, über gute Kanäle kommen auch schon wieder Stoffe in die Werkstatt, die Kinder sind auf Ferienlager in einem intakten Schloss und schreiben Briefe nach Hause.

In diesem hoffnungsvollen Ambiente arbeiten freilich Überlebende, die das Grauen hinter sich haben. Menschen wurden verschleppt und man hat nie mehr was von ihnen gehört, andere wurden als Kollaborateure verurteilt, jemand, der niemand verloren hat, geniert sich fast, dass er so ungeschoren davongekommen ist.

Allmählich tauchen die alten Handgriffe der Schneiderei wieder auf, der Icherzähler macht eine Lehre und geniert sich unendlich, wenn er Fehler macht. Und die Gespräche entwickeln sich wieder scheinbar normal, ein Hund hat gelernt, jüdisch zu bellen, ein Liebhaber überlegt, ober er mit der Angebeteten einen Abend lang über Anna Karenina reden kann, Kinder erzählen, dass in der Schule bereits wieder die Städte an der Wolga inklusive Stalingrad durchgenommen werden.

Dennoch liegt eine Vorsicht in der Luft, jeder hat ein Stück Geschichte aufgesogen, worüber er noch nicht sprechen kann. Die Allerweltsfrage „was gibt’s Neues vom Krieg?“ funktioniert allemal bestens und ist zu einer guten Floskel für den aufkeimenden Smalltalk geworden. Ab und zu kommt schon wieder der jüdische Humor zum Vorschein, wenn man etwa einen Überlebenden des Lagers Abramauschwitz nennt.

In einem Tagebuch, das erst Jahrzehnte später geöffnet wird, hat das damalige Kind Raphael beschrieben, wie sich diese Zeit zukunftsfroh bewältigen lässt. So werfen die Jugendlichen beispielsweise mit Bällen auf Naziköpfe, um endlich die Vergangenheit wegzubringen.

Robert Bobers stiller Roman vom Aufrappeln des Lebens im Nachkriegsparis besticht durch seine Sanftheit, mit der das Unsagbare umrundet und dadurch ausgesprochen wird. Die geretteten Figuren erzählen dabei von all jenen, die im Holocaust verloren gegangen sind, und es wird eine unendliche Geschichte.

Robert Bober, Was gibt’s Neues vom Krieg? Roman. A. d. Franz. von Tobias Scheffel. [Orig.: Quoi de neuf sur la guerre? Paris, 1995].
München: Kunstmann 2006. 221 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-88897-414-4.


Weiterführende Links:
Kunstmann-Verlag: Robert Bober, Was gibt’s Neues vom Krieg?
Wikipedia: Robert Bober

 

Helmuth Schönauer, 20-07-11

Bibliographie

AutorIn

Robert Bober

Buchtitel

Was gibt’s Neues vom Krieg?

Originaltitel

Quoi de neuf sur la guerre?

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Kunstmann

Übersetzung

Tobias Scheffel

Seitenzahl

2006

Preis in EUR

10,-

ISBN

978-3-88897-414-4

Kurzbiographie AutorIn

Robert Bober, geb. 1931 in Berlin, lebt seit 1933 in Frankreich.