Uwe Bolius, Der lange Gang

Buch-CoverDie so genannte „00-Nummer“ eines neuen Verlages ist immer aufschlussreich, gibt doch das erste Buch so etwas wie ein Programm vor.

Und für ein aufklärend essayistisches Programm, wie es der Innsbrucker Limbus Verlag in Zukunft betreuen will, bietet sich der Roman „Der lange Gang“ von Uwe Bolius geradezu von selbst an.

Einst 1983 als Resumee der Nachkriegsgeneration geschrieben, lässt sich nach einem Vierteljahrhundert durch die Neuauflage gut abtesten, wie diese beschleunigte Aufbaugeneration jetzt im Sound der literarischen Unendlichkeit eingebettet ist.

Der lange Gang ist ein geradezu klassischer Entwicklungsroman, der damit endet, dass der Held irgendwie fertig und am Ende ist. Heinrich wird wie sein großes literarisches Vorbild Der Grüne Heinrich mit sehr vielen Irrläufen und Zweifeln erwachsen und zieht am Höhepunkt eines recht unauffälligen Lebens eine Art Schlussbilanz, der lange Gang hinaus ins Freie ist beendet, recht viel heller geworden ist es aber noch nicht.

Das Leben von Heinrich läuft beinahe nachkriegstypisch ab. Die Familie ist über den halben Kontinent verstreut und zerrissen, immer wieder bieten Internate und handfeste Erziehungsmaßnahmen scheinbar einen gewissen Halt, aber das Individuum lebt in solchen Einrichtungen nur als gekrümmtes Schattengewächs am Boden dahin.

Die Religion entlarvt sich mit der Zeit mit den eigenen Ritualen und Anleitungen als Irrweg, der immer etwas anderes darstellt als eigentlich gemeint ist. Die Sexualität kommt als Untier in den Körper gekrochen und bringt eher Schrecken als Freude. Erst als Heinrich seine homosexuelle Neigung zulässt, wird es ein bisschen besser.

Ein wenig Erlösung bringt die Philosophie, wo zwischendurch tolle historische Typen auftauchen, über deren Gedankengut auch nach Jahrhunderten noch halbwegs sinnvoll nachgedacht werden kann. Die politischen Zustände hingegen sind sehr von der Tagesverfassung der Protagonisten abhängig, eigentlich ist die zeitgenössische Politik schon am Ende, wenn am nächsten Tag darüber in der Zeitung berichtet wird.

Uwe Bolius Roman hat das letzte Vierteljahrhundert seit seiner Erstpublikation gut überstanden. Die Leser sind mittlerweile fast genauso reif geworden wie der Held Heinrich, der eigentlich schon mitten im Roman das Handtuch wirft und seine eigene Entwicklung mit dem zu schmalen Atem eines Langstreckenläufers ziemlich selbst abgekämpft zu Ende bringt.

Die äußeren Umstände des Romans sind inzwischen historisch gesichertes Allgemeingut geworden, das zum Teil schon in die Geschichts- und Lesebücher entsorgt wird. Was bleibt, ist ein toller Kippeffekt, denn als Leser wird man mit diesem Roman Zeuge, wie eine aktuelle Gegenwart zur generellen Geschichte wird.

Und die Moral des Helden Heinrich ist aktueller denn je: den Atem zurücknehmen, kluge Sachen denken, und schon zu Lebzeiten den Wahrheiten misstrauen! Es steckt nämlich oft viel weniger hinter den Dingen, als man uns zu Lebzeiten weismachen will.

Ein reifer Roman, mit dem sich tatsächlich ein ganzer Verlag geistig auf die Beine stellen lässt.

Uwe Bolius, Der lange Gang. Roman.
Innsbruck: Limbus 2006. 287 Seiten. EUR 9,90. ISBN 978-3-902534-02-7.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Uwe Bolius, Der lange Gang
Homepage: Uwe Bolius

 

Helmuth Schönauer, 25-03-2007

 

Bibliographie

AutorIn

Uwe Bolius

Buchtitel

Der lange Gang

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Limbus

Seitenzahl

287

Preis in EUR

9,90

ISBN

978-3-902534-02-7

Kurzbiographie AutorIn

Uwe Bolius, geb. 1940 in Linz, lebt in Wien.