Lina Hofstädter, Valcamona

Buch-CoverFür die aktuelle Erforschung eines Lands sind nach wie vor fetzige Krimis der beste Zugang.

Nach Kurt Lanthaler, der vor gut zwanzig Jahren mit seinen berüchtigt skurrilen Tschonnie-Tschenett-Romanen den Nord- und Südtirolern einen speziell geschliffenen Spiegel vorgehalten hat, beschreibt Lina Hofstädter in ihren bislang drei Tirol-Krimis das Land in seinen schier unglaublichen Ausbuchtungen des Alltags.

Im Roman Ausapern kommt in einem Alpin-Dorf die Vergangenheit unerwartet heftig zum Vorschein, in Bergiselschlachten stehen die Höhenflüge von Schispringern und historischen Weitenjägern auf dem Prüfstand, und Valcamona schließlich ist ein Touristenzentrum der besonderen Art. Die Romane hängen nur lose zusammen und sind als jeweils fertiger Plot einzeln zu lesen, freilich verweisen manchmal Fußnoten auf den einen oder anderen früheren Roman, was den Eindruck verfestigt, das Erzählte ist unerschütterlich logisch miteinander verwoben.

Valcamona ist ein Tourismuszentrum der modernsten Art. Über den Autobahnanschluss fahren die Touristen direkt in das Wellness-Zentrum und tauchen in eine höchst künstliche Sekundärwelt von Kitsch, Heimatkunde und futuristischer Sehnsucht ein. Die Glücksanlage ist noch gar nicht richtig eröffnet, da wird sein Erfinder und geistiger Betreiber folgerichtig an einem Hirschgeweih aufgehängt als Trophäe aufgefunden. Noch ehe die Recherchen, die naturgemäß diskret ablaufen müssen, halbwegs in Schwung kommen, liegt schon die nächste Leiche sinnigerweise am Friedhof. Es handelt sich um ein slowakisches Dienstmädchen, das gleich hinter der Tourismushochburg um die Ecke gebracht worden ist.

Recherche, Handlung, Analyse und die seltsame deplatzierte Frage nach dem Warum werden von der Hoteliers-Tochter Ines betrieben. Diese Ines ist gleich mehrfach vom Tourismus betroffen. Wie in einer schlechten Romeo-und-Julia-Auflage hat sie alte Liebesgeschichten diverser Dorfdynastien auszustehen, andererseits bleibt ihr die Zukunft des Tourismus ein Rätsel, da sie dessen düstere und perverse Vergangenheit kennt.

Gleich mehrmals ändern sich Verdachtsmomente und Vermutungen, die Wahrheit hat letztlich etwas mit den geheimsten Geschäften der Menschheit zu tun, die Dienstleistungen werden im aktuellen Tourismus nämlich wörtlich ausgelegt.
Die Aufklärung der Zustände und die Lösung des Falls sollen hier nicht verraten werden. Für den Leser ist es spannend zu sehen, wie im Glückssegment Tourismus alles unternommen wird, um die generelle Illusion am Leben zu erhalten und den täglichen Lebenslauf zu vertuschen.

Während nämlich so etwas wie der Musikantenstadel mit allerhand perversen Heimat-Bands zu einem großen Schunkel-Showdown in der Anlage eintrifft, schreibt die Einheitszeitung des Landes in reißerischen Artikeln gegen diese illusionistischen Machinationen an. Zwischen umgeschriebenen Liedtexten, Stornierungen und lüsternen Gaffern reiben sich die Angestellten der Branche auf. Valcamona reißt die Heimatfetischisten und Glückssucher an der Hinterseite der eigenen Phrasen auf!

Lina Hofstädter: Valcamona. Kriminalroman.
Innsbruck: Limbus 2007. 296 Seiten. 15,30. EUR. ISBN 978-3-902534-12-5.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Lina Hofstädter
Wikipedia: Lina Hofstätter

 

Helmuth Schönauer, 01-12-2007

Bibliographie

AutorIn

Lina Hofstädter

Buchtitel

Valcamona

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Limbus

Seitenzahl

296

Preis in EUR

15,30

ISBN

978-3-902534-12-5

Kurzbiographie AutorIn

Lina Hofstädter, geb. 1954 in Lustenau, lebt in Sistrans.