Eshkol Nevo, Vier Häuser und eine Sehnsucht

Buch-CoverHäuser sind ein Dauermotiv in der Literaturgeschichte, ist doch damit vom Herrscherhaus, über die Familienkunde bis hin zum Wüstenrothaus alles angesprochen. Gleich vier Häuser und dazu noch eine Sehnsucht, das ergibt schon eine passable Leseerwartung!

Die vier Häuser könnten jene in allen Windrichtungen sein, aber auch Häuser, die wie russische Puppen in einander geschachtelt sind. Diese Häuserverschachtelung liegt nahe, wenn man an Eshkohls Erzählprogramm denkt, er verschachtelt offensichtlich die Häuser Staat, Ethnie, Wohngemeinschaft und eigenes Glücksgebäude fließend ineinander.

Der Roman bietet tatsächlich vier Häuser als Lesestationen an, sie enden jeweils in einen Song, ausgekratzt aus der der auf einer Privat-CD "Liebe, wie ich sie meiner Frau erklären wollte". Als Draufgabe, damit sich die Häuser nicht zu strak verfestigen, gibt es das offene Kapitel Exil.

Der Roman greift das öffentliche Leben in Israel auf, zeigt Bassena-Streit und Tratsch im Stiegenhaus, und bettet sich ganz innig manchmal in einer Liebesgeschichte zur Ruhe. Ein Araber sucht immer noch seine Herkunft, geht in das Haus seiner Kindheit zurück, aus dem er vor fünfzig Jahren vertrieben worden ist, und bohrt aus einem Versteck den Familienschmuck heraus. Dafür wird er für verrückt erklärt.

Ein guter Freund eines Erzählers fährt eines Tages als Militäreinsatz in den Libanon, wie man sonst auf ein Fußballspiel fährt, und wird erschossen. An Tagen, wo wieder die Attentäter in der Stadt herumgehen, sind die Menschen besonders unkommunikativ, an solchen Tagen kriegst du nicht einmal beim Einkauf simpler Dinge vom Verkäufer eine Antwort.

In diese dramatischen staatstragenden Ereignisse sind Familiengeschichten zusammengetragen, wie sie überall passieren könnten. Ein Paar hat schon seit acht Jahren nicht mehr gestritten und ist auf dem Weg ins Guinness-Buch der Rekorde, da wird eine religiöse Veranstaltung angeboten und wumms, es gibt einen ordentliche Krach.

Eine Menge Spezialbegriffe erwecken den Eindruck einer besonderen Kultur. Da diese Begriffe religiös, geographisch oder rituell völlig aus der üblichen Lektürewelt fallen, stochert man während des Lesens oft ins Leere nach dem Motto: Aha, so ist das bei denen!

Im Klappentext wird behauptet, dass dieser Roman in Israel Furore gemacht hat, weil dieser ungenierte Zusammenfluss verschiedener Erzähler und Kulturen für die offiziellen Stellen recht ungewöhnlich ist. Für uns Außenstehende ist der Roman ein recht undurchschaubarer, lauter und hitziger Schwall von Thesen, offiziellen Darstellungen und privaten Sehnsüchten, die sich nur teilweise dechiffrieren lassen.

Wahrscheinlich ließe sich so manche Provinzgeschichte in dieser Form erzählen, vier Häuser und eine Sehnsucht können ja überall spielen.

Eshkol Nevo, Vier Häuser und eine Sehnsucht. Roman. A. d. Hebr. von Anne Birkenhauer. [Orig.: Arba' batim ve ga'agua, 2004]
München: dtv 2007. 435 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-3-423-24564-7.

 

Weiterführende Links:
dtv: Eshkol Nevo, Vier Häuser und eine Sehnsucht
Wikipedia: Eshkol Nevo

 

Helmuth Schönauer, 02-12-2007

Bibliographie

AutorIn

Eshkol Nevo

Buchtitel

Vier Häuser und eine Sehnsucht

Originaltitel

Arba' batim ve ga'agua

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

dtv

Übersetzung

Anne Birkenhauer

Seitenzahl

435

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-423-24564-7

Kurzbiographie AutorIn

Eshkol Nevo, geb. 1971 in Jerusalem, lebt Tel Aviv und Jerusalem.