Adalbert Stifter, Witiko

Buch-CoverDas Geilste an Stifter ist immer das Nachwort, er selbst schiebt nämlich eine ziemlich ruhige Kugel durch die Literaturgeschichte. - Dieser süffisante Germanistenwitz begleitet jede Seite einer Neuausgabe seiner Werke.

Adalbert Stifter, der literarische Heroe Oberösterreichs, wird klugerweise und vielleicht auch wegen dieses Germanistenwitzes immer wieder auch von Innsbruck aus sorgfältig betreut.

Das hat einerseits damit zu tun, dass an der Innsbrucker Germanistik ein so genanntes Oberösterreicher-Nest den Geistesverwandten ständig aktualisiert, und zum anderen mit der Mentalität Stifters, die Sachen blumig beim Namen zu nennen, wie es Tiroler Politiker ununterbrochen tun.

Stifters Leistung befriedigt alle Gesellschaftsschichten zu allen Zeiten, ob er nun den Kefermarkter Altar restauriert hat, einer flachen Sonnenfinsternis zu farblicher Plaste verholfen hat oder einfach zu spät zur Revolution 1848 nach Wien gekommen ist: er begeistert durchgehend.

Den Roman Witiko liest man üblicherweise nur einmal im Leben, wenn man Lust auf irgendeine Prüfung hat. Ansonsten genügt es, sich die aktuellen Ausgaben in Nachwort und Zeittafel zu Gemüte zu führen, damit der aktuelle Touch des Werkes an der Lesehaut vorbei driftet.

Die Handlung ist wie bei guten Romanen dürftig, wir lieben ja auch heutzutage noch eher diese Abende mit Stimmung als jene mit Krawall. 1138 reitet Witiko durch Böhmen und bietet mehr oder weniger zielstrebig den Mächtigen seine Dienste an, ein aktuelles Thema, denn auch heute reiten Manager durch die Welt, um im Namen einer Firma erfolgreich zu sein. Nach Prüfung diverser Angebote entscheidet sich Witiko nach seiner persönlichen moralischen Skala, und die Geschichte nimmt dennoch ihren Lauf.

Wolfgang Wiesmüller stellt im Nachwort frech und geduldig den Witiko in die Gegenwart. So genannte Langatmigkeit kann durchaus eine überzeichnete Leidenschaft sein, "Stifter hat seinen historische Roman ganz offensichtlich als Korrektur zu den politischen Entwicklungen seiner Zeit geschrieben". (952)

In den Anmerkungen befriedigt Wolfgang Wiesmüller jedes kindliche Stifterauge, indem er die angesprochenen Lemmata immer mit dem aktuellen Wissensstand einer hybriden Zeitgeschichte-Gesellschaft dokumentiert.

Wer als Leser in Witiko hineinfindet, kommt ohnehin schwer aus diesem schwülstigen Faszinosum heraus. Wolfgang Wiesmüller sichert diesen Zugang in seinem grandiosen Nachwort mit der Methode eines Security-Einsatzes: Du darfst hinein, wenn du dich anständig benimmst. Das hat sich Stifter auch verdient! Am Innsbrucker Campus angesprochen sagt der Herausgeber flüchtig konzentriert: Witiko neunte Auflage? - Ja, da haben wir alles neu gemacht!

Adalbert Stifter, Witiko. Roman. Mit Nachwort, Anmerkungen und Zeittafel von Wolfgang Wiesmüller.
Düsseldorf: Artemis & Winkler 2007. Neunte Auflage. ( = Winkler Dünndruckausgabe). 1036 Seiten. EUR 52,-. ISBN 978-3-538-05448-6.

 

Weiterführende Links:
Homepage: Adalbert Stifter
Artemis und Winkler: Adalbert Stifter, Witiko

 

Helmuth Schönauer, 12-12-2007

Bibliographie

AutorIn

Adalbert Stifter

Buchtitel

Witiko

Erscheinungsort

Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Artemis & Winkler

Seitenzahl

1036

Preis in EUR

52,00

ISBN

978-3-538-05448-6

Kurzbiographie AutorIn

Adalbert Stifter, 1805-1868.

Wolfgang Wiesmüller, geb. 1950 in Oberösterreich, ist Germanistikprofessor an der Universität Innsbruck, Habilitation über Stifter.