Ferdinand Schmatz, Durchleuchtung

Buch-CoverEine echte Durchleuchtung geschieht mit Röntgengeräten oder als CT-Scann. Das Ergebnis ist eine perfekte Darstellung des Körpers, mit welcher der Fachmann zu klaren Befunden kommt.

In Ferdinand Schmatz Durchleuchtungs-Roman werden die Figuren in einem literarischen Scann-Verfahren vorgeführt. Hier handelt es sich um so etwas wie poetisches Röntgen, die Biographien der Helden werden zerlegt und dem Leser fein säuberlich präpariert dargeboten.

Seit Konrad Bayer ist "Franz" in der Experimental-Literatur ein beliebter Name für einen Helden, den es ständig zerlegt und der von der Literatur zerlegt wird. Im wilden Roman wird Franz tatsächlich medizinisch untersucht, der Professor Pokisa übernimmt als Röntgenarzt dabei die Rolle des Kunstkritikers und Schicht für Schicht kommt bald einmal so etwas wie eine scharfe Biographie ans Tageslicht. Im Untertitel heißt der Roman ja aus Danja und Franz, weil er aus diesen beiden herausgekratzt wird und die Geschichten bergbaumäßig zu Tage gefördert werden wie aus dem Inneren eines Lebens-Gesteins.

Das Dreiecksverhältnis ist komplett, Künstler liebt Frau und im Dreieck ist der Arzt aufgestellt.

Gleich zu Beginn wird die Lage mit Hilfe der Fotographie abgebildet, aber um zu diesem Über-Foto zu gelangen, muss der Delinquent erst in die Klinik geschleust werden. Die Aufnahme in eine Klinik ist wie jede Aufnahme äußerst kompliziert und langwierig.

Einmal geröntgt liegt es sich gut im Bett, es gibt eine eigene liegende Welt, die nur der Bettlägerige erfährt. Der Arzt kommentiert die Lage von Franz, dabei "meint er die Bildlichkeit wissenschaftlich und nicht metaphorisch". (57)

Zwei zentrale Kapitel des Romans haben mit Begegnung und Entgegnung zu tun. Die Figuren bauen sich vor einander mit schönen Sätzen auf und dekonstruieren sich dann wieder durch ihr Verhalten.

Der Spaziergang in der freien Natur der Zeichen führt die Figuren in die pure Literatur. Alles, was man sieht, hat eine Geschichte, die Natur zeigt sich in abgerundeten Schaubildern und fügt das Erlebte zu einem harmonischen Gesamteindruck zusammen. Die Figuren sind dieser natürlichen Harmonie ziemlich ausgeliefert.

Danja versucht es gar in einem Einzeldialog, diesem Gesamteindruck zu entkommen. Wie eine Schizophrene spaltet sie sich und lässt ihre Hälften miteinander reden. Schließlich führt alles wieder an den Start zurück, was immer man erlebt, es hat den Anfang für die nächste Begegnung in sich.

Ferdinand Schmatz zerlegt die Personen in scheinbar wohl bekannte Einzelbilder, er verwendet schöne Harmonien um etwa die Kindheit zu beschreiben, Versatzstücke aus der Wissenschaft, um dem Körperzustand gerecht zu werden. Je genauer das Ganze in die einzelnen Schichten zerlegt wird, um so mehr tritt das Wilde, das Unbeschreibbare zu Tage. Letztlich stehen wir als Leser vor ausgeschlachteten Figuren, die sich als erzählte Dummies ihrer selbst neben ihrer Hülle wiederfinden. Ein fast horrormäßiges Erzähl-Szenario.

Ferdinand Schmatz, Durchleuchtung. Ein wilder Roman aus Danja und Franz.
Innsbruck: Haymon 2007. 300 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85218-543-9.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Ferdinand Schmatz, Durchleuchtung
Wikipedia: Ferdinand Schmatz

 

Helmuth Schönauer, 01-02-2008

Bibliographie

AutorIn

Ferdinand Schmatz

Buchtitel

Durchleuchtung. Ein wilder Roman aus Danja und Franz

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Haymon

Seitenzahl

300

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85218-543-9

Kurzbiographie AutorIn

Ferdinand Schmatz, geb. 1953 in Korneuburg, lebt in Wien.