Ludwig Laher, Ixbeliebige Wahr-Zeichen?

Buch-CoverManchmal, wenn es politisch keine Einigung zu geben scheint, wird der Ruf nach einem Expertenkabinett laut. Was aber herauskommt, wenn man Fachtrottel-Experten ans Ruder lässt, zeigt die Rechtschreibreform. Hier haben ausgewiesene Fachleute vor allem eines zustande gebracht: Chaos, Unzuverlässigkeit und pure Willkür.

Ludwig Laher kommentiert in seinem Essay dieses neue Regelwerk mit detaillierten Fallbeispielen kühl, aber insgeheim fassungslos.

So etwas Lebendiges wie die Sprache kann ohnehin nicht gezähmt werden, Autorinnen als Vertreterinnen dieser Sprache müssen daher fallweise jedes Regelwerk durchbrechen, um der individuellen Semantik der Texte gerecht zu werden. So stammt der für die Untersuchung titelgebende Spot "Ixbeliebige" Wahr-Zeichen aus Elementen der Orthographie Elfriede Jelineks.

Grob könnte man zusammenfassen: bis 1901 war die Orthographie wild und leer wie am ersten Tag der Schöpfungsgeschichte, dann wurden Regeln eingeführt, die etwa bis in die 1980er Jahre gegolten haben, seit 1996 ist de facto alles erlaubt, wenn man den augenblicklichen Trend vereinfachend darstellen möchte.

Ludwig Laher stellt nun die Frage, was passiert mit alten Texten, warum kann man diese nicht in ihrer originären Orthographie belassen? Und den Höhepunkt dieses wundersamen Expertentreibens tanzen offensichtlich die Herausgeber von Schulbüchern vor. Da es in Österreich kein gerechtes Urheberrecht für Schulbücher gibt, werden die Texte geklaut, abgedruckt und verfremdet, ohne dass der Autor dieser Texte überhaupt eine Ahnung hätte, geschweige denn eingreifen könnte.

Die pädagogischen Untergrundcurricula dieser sagenhaften Verstümmelungsorthographien sind für normal einsichtige Menschen nur schwer verständlich. Dabei gäbe es eine recht einfache Anregung, wie man Texten gerecht werden könnte: Im Originalzustand abdrucken, die Schüler könnten durch die Abweichungen das sogenannte Regelwerk am besten erklären und fallweise verstehen. (99)

Für seine Untersuchung hat Ludwig Laher ausführlich mit Elfriede Jelinek gesprochen, ihr Werk ist durch die Verstümmelungspraxis der Hofräte-Orthographie besonders stark in Mitleidenschaft gezogen. Aber auch ausgewiesene Kinderbuchautorinnen und -autoren haben mit diesen ständig von Zufälligkeiten geprägten Regeln nichts als Scherereien, oft musste nämlich wegen eines einzigen scharfen "daß" eine ganze Auflage eingestampft werden.

Ludwig Laher meint, dass man die Absichten von Autoren, der amtlichen Schulpädagogik und eines schriftverwaltenden Amtsapparates ohnehin nur schwer auf eine Reihe kriegen wird. Aber der momentane Zustand ist höchst unerfreulich, und Protest ist angesagt. So ist diese herz-feste Dokumentation selbstverständlich in der alten Rechtschreibung vorgetragen, wie sie bis 1996 gegolten hat. Nicht dass sich nichts verändern sollte, aber ein von überforderten Sprachverstümmlern zusammengedrechselte Rechtschreib-Regelwerk verhöhnt letztlich die Autoren und die Sprache sowieso.

Ludwig Laher, Ixbeliebige Wahr-Zeichen? Über Schriftsteller-Hausorthographien und amtliche Regel-Werke. Einbegleitet von Elfriede Jelinek.
Innsbruck: Studienverlag 2008. 143 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7065-4629-4.

 

Weiterführende Links:
Studienverlag: Ludwig Laher, Ixbeliebige Wahr-Zeichen

 

Helmuth Schönauer, 28-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Ludwig Laher

Buchtitel

Ixbeliebige Wahr-Zeichen? Über Schriftsteller-Hausorthographien und amtliche Regel-Werke

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Studienverlag

Seitenzahl

143

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7065-4629-4

Kurzbiographie AutorIn

Ludwig Laher, geb. 1955 in Linz, lebt in St. Pantaleon.