Hans Karl Peterlini, Tirol - Notizen einer Reise durch die Landeseinheit

Buch-CoverWenn in Tirol wieder einmal ein Krawall-Jahr bevorsteht, wie die Hofer-Gedenkjahre bei manchen Gruppierungen süffisant genannt werden, gibt es jede Menge geistige Auseinandersetzung mit Tirol und seiner so genannten Landeseinheit.

Hans Karl Peterlini benützt für seinen patriotischen Rundgang durch das Dauerthema Landeseinheit das Alphabet, von A wie Autobahn bis Z wie Zams werden historische Entwicklungen, Alltagsgeschichten und nützliche Überlegungen vom Zusammenbleiben und Auseinandergehen angeführt. Zu Beginn jeden Kapitels gibt es ein Kurzinterview mit jenen, deren Stammbaum sich quer über Nord- und Südtirol legt.

Die Darstellung schwankt zwischen Widergabe der offiziellen Geschichtsschreibung und Kopfschütteln über den jeweiligen Ausgang der aktuellen Lage. Denn Tirol besteht sozusagen aus einem permanenten Gewabere quer über das Gebirge, wann immer die Tiroler die Chance hatten, selbst einzugreifen, ergriffen sie offensichtlich deppen-sicher die schlechtere Variante.

Das ist das Paradoxon der Tiroler Identität: Sie bestand über Jahrhunderte im Verschleiern von Unfreiheiten und schuf sich im Kampf für diese Unfreiheiten die Illusion von Freiheit. (129)

Vom Entstehen des Tiroler Gebildes aus adeligem Kleinkram über große Schlachten und Erhebungen hin bis zum pragmatischen Hinunterschlucken der gegebenen Verhältnisse spannt sich der Bogen der Geschehnisse. Der Autor zitiert die Plots und bietet wie bei einem Rätsel dem Leser verschiedene Möglichkeiten an, wie man sich entscheiden könnte. Zwischendurch werden strategische Selbstverständlichkeiten in Erinnerung gerufen, etwa dass man eine Grenze nie auf einem Pass machen solle, weil dort oben dann beide Seiten nichts als Unbill auszubaden haben.

Die Reise durch die Landeseinheit liest sich spannend, ausgewogen patriotisch und man wird auch nie in eine gedankliche Falle gelockt oder moralisierend irgendwo hin geworfen, wo man vielleicht nicht sein möchte.

Dennoch sollte man die Rahmenbedingungen im Auge behalten. Wenn ein Projekt auf Anregung eines Politikers ausgeführt wird ( in diesem Falle gibt es ein Plädoyer des ehemaligen Landeshauptmannes Wendelin Weingartner), dann achtet der sorgsame Leser naturgemäß darauf, was etwa wieder einmal schön geschrieben werden soll. Schön geschrieben werden soll auf jeden Fall die Verwurzelung der nördlichen Tiroler mit den südlichen, weshalb in den Interviews nur Multi-Kosmopoliten zu Wort kommen, bei denen einmal die Vorfahren gerne zwischen Gardasee und Walchsee angetanzt sind.

Dass diese Dauerbegattung dem normalen Tiroler egal ist, muss man sich zu diesem Buch hinzudenken. Wie es ja auch sonst wieder ein gedanklicher Eiertanz um nichts ist! Während nämlich das Buch ausgeliefert wird, werden die täglichen Zugsverbindungen zwischen Österreich und Italien gekürzt. Allein dieses Einheitsbuch von einem Landesteil in den anderen zu schicken kostet so viel wie das gesamte Buch. Das ist der praktische Teil der Landeseinheit, der aber als Inhalt eines Jubelbuches nicht vorkommen darf.

Dabei gäbe es zu dem ganzen Themen-Tamtam eine wunderbare Lebensweisheit von Johann Trojer aus Außervillgraten:

Innsbruck? - Was tu ich in Innsbruck. Wenn ich frei habe, fahre ich nach Venedig!

Ja und dass aus Zams die Zukunft kommt, weil dort ein Gitarre spielender Gendarm zur Welt gekommen ist und jetzt als nördlicher Landeshauptmann fungiert, das reißt dem Alfabet der Einheit dann doch noch einen Zipfel voller Gelächter aus.

Hans Karl Peterlini, Tirol - Notizen einer Reise durch die Landeseinheit.
Innsbruck: Haymon 2008. 200 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-85218-575-0

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Hans Karl Peterlini, Tirol - Notizen einer Reise durch die Landeseinheit

 

Helmuth Schönauer, 14-11-2008

Bibliographie

AutorIn

Hans Karl Peterlini

Buchtitel

Tirol - Notizen einer Reise durch die Landeseinheit

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Haymon

Seitenzahl

200

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-85218-575-0

Kurzbiographie AutorIn

Hans Karl Peterlini, geboren 1961 in Bozen, lebt in Bozen.