Heinz D. Heisl, Greiner

Buch-CoverWas gibt es letztlich Traurigeres und Skurrileres, als einen Schriftsteller, der an seiner Altersgeilheit verzagt?

Der alternde Schriftsteller Konrad Greiner macht eine formidable Krise durch, als er in Tokyo in verschiedenen Cafes herumsitzt und letztlich auf einen Termin mit dem Nobelpreisträger wartet, der ihn zum Tee eingeladen hat.

In den vier Stationen Roppongi Cruising (7) / Der Tokei-ji (83) / Jizo-do-Schrein (169) und Aokigahara Jukai (273) macht Greiner alle Höhen und Tiefen der Schriftstellerei durch, indem ihm immer wieder die Erinnerung in den Nacken springt und er gleichzeitig nach Atem für eine leere Zukunft röchelt. Dabei läuft diese Erinnerungseruption immer nach dem gleichen Muster ab: In Japan tut sich irgendwo bei einer Frau im Cafe eine Brustwarze, eine Wölbung oder sonst etwas Erotisches auf, und schon überfällt Greiner die volle Altersgeilheit und die Wehmut, dass alles einmal viel kräftiger und heftiger war.

Ich bin alt. Ich bin über fünfzig. Ich bin alt. Das Alter stinkt aus mir. (143)

Dabei ist Greiner in Europa zuerst hoffnungsvoller Tonkünstler und später anerkannter Schriftsteller geworden, aber er hätte nichts schreiben und keine Musik machen sollen (43), bedauert er jetzt immer heftiger.

Das Schlimme aber ist dieser Provinzialismus, der sich ständig quer über das Leben legt. Nichts ist so grausam, wie wenn provinzielle Lokalkünstler mit ihren schriftstellerischen Träumen prahlen, und zu dieser Misere passt auch gut der provinzielle Sex. Vor allem jener mit einer Kaltenbacherin ist letztlich ein Katastrophensex gewesen, so sehr die Erde auch gebebt hat bei den diversen Übungen.

Überhaupt wird mit Innsbruck abgerechnet, dass sich nur so die Zeilen biegen.

In Innsbruck zu leben, bedeutet in der Umklammerung der Berge zu leben, bedeutet, sich mit seinem Geist an den immerwährend feuchten und eine Nässe vertropfenden Felswänden, zerfurchten Gebirgssteinmauern, im Gerinne einer Geröllhalde, wie etwa der Arzler Scharte festzukrallen, und bedeutet gleichsam eine permanente Peinigung des Geistes infolge der Einengung, einer Begrenzung des Blickes. (45/46)

Die Eltern waren eine Katastrophe, die Kindheit, die Ausübung der Kunst, aber auch die Menschen sind der Reihe nach eine Zumutung, ob sie als Sitznachbar Nasenpofel fressen oder als Töchter von Rechtsanwälten auf den Pferdeärschen durch die angrenzenden Wälder reiten.

Was immer Konrad Greiner in Tokyo ins Auge fasst, es löst einen Erinnerungsschock aus, wie etwa der Scheidungsschrein, der sofort die Tragödie mit seinen Eltern in den Kopf springen lässt.

Heinz D. Heisl erzählt ungebremst mit der zerstörerischen Provinz-Munition eines Thomas Bernhard und mit dem Rappongi-Hammer eines Josef Winkler. Er schont seinen Helden keine Zeile lang, alles, was irgendwie schief gehen kann, wird dieser Figur übergekippt und als Leser hat man gar noch das Gefühl, dass die Kübel zu klein sind, die diesem großen Unglücksmenschen auf jeder Seite über den Kopf gestülpt werden. - Greiner ist ein wundersamer, wahrer und wunder Erzählritt durch das Leben, das erst im Alter so richtig kaputt und wild wird.

Heinz D. Heisl, Greiner. Roman.
Berlin: Dittrich 2009. 331 Seiten. EUR 19,80. EUR. ISBN 978-3-937717-37-1.

 

Weiterführende Links:
Dittrich-Verlag: Heinz D. Heisl, Greiner
Wikipedia: Heinz D. Heisl

 

Helmuth Schönauer, 07-09-2009

Bibliographie

AutorIn

Heinz D. Heisl

Buchtitel

Greiner

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Dittrich

Seitenzahl

331

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-937717-37-1

Kurzbiographie AutorIn

Heinz D. Heisl, geb. 1952 in Innsbruck, lebt in Zürich und Basel.